© PROUT AT WORK / Armin Morbach
MYSTORY mit …

duke
28 Jahre, hamburg

„manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu ‚langweilig‘ für
jemand queeres bin.“

Veröffentlicht: November 2023

Ich bin Duke, eigentlich sogar Aaron Duke, aber alle kennen mich als Duke. Der Name Aaron kommt von meinen Eltern. Da ich ein trans* Mann bin, durfte ich meine Vornamen neu auswählen und mir war es wichtig, dass mir meine Eltern wieder meinen ersten Namen geben. Ich bin 28, in Deutschland geboren und habe chinesische Wurzeln.

Meine Pubertät war gefüllt mit Schmerz, Unwissenheit und Trauer.

Ich wusste sehr lange nicht, was mit mir war. Ich war immer anders und gehörte zu den Leuten, die alles versucht haben, um dazuzugehören. Mit 14 habe ich dann beschlossen, meine Haare abzuschneiden, mir Kleidung aus der Jungs-Abteilung zu kaufen und endlich mehr Ich zu sein. Doch auch das war echt schwierig. Ich erkannte, dass ich ein Mann bin, doch fragte mich, was denn einen Mann ausmacht und wie Männer sein sollen?

Ich verlor mich in einer Welle der toxischen Männlichkeit. Wollte stark sein, wollte groß sein, wollte Mann sein. Bin ich jetzt ein Mann? Menschen misgenderten mich, haben nicht verstanden, was ich darstellen wollte, verurteilten und belächelten mich – ich wollte doch nur ein Mann sein.

Ein Mann weint nicht, ein Mann ist nicht schwach, ein Mann schminkt sich nicht. Ich hatte viele Momente vor meiner Transition, in denen ich versucht habe, mich zu schminken. Der Gedanke, Schminke oder Nagellack zu tragen, verflog immer mehr mit meiner Transition. Ich bin nun ein Mann und alle sehen es auch so. Doch dürfen sich nur Frauen schminken? Dürfen nur Frauen bunte und glitzernde Dinge tragen? Ich muss ehrlich sein, ich fühle mich in meinen unscheinbaren, meist dunklen Klamotten schon wohler. Ich würde mich in einem Kleid oder mit ausgefallenem Lidschatten wahrscheinlich nicht wohl fühlen. Aber warum nicht? Warum dürfen nur Frauen das? Warum fühle ich mich damit unwohl? Weil Männer das nun mal nicht tun? Weil uns Männern das immer abgesprochen wird? Weil wir belächelt werden? Weil wir dann verrückt und unseriös sind?

Und das Paradoxe kommt jetzt: Manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu „langweilig“ für jemand Queeres bin.

Ich bin 28. Seit sechs Jahren auf Testosteron. Vor vier Jahren Brust- und Gebärmutterentfernung. Seit einigen Jahren in meinem Ich angekommen. Und doch ist meine Selbstfindung noch nicht beendet.

Lieber duke, vielen Dank für YourStory!
BIG IMPACT INITIATIVE AWARD:
UNITE von Covestro

Manche Unternehmensbereiche werden durch LGBT*IQ-Unternehmensnetzwerke mehr erreicht, andere haben kaum Berührungspunkte damit. Bis dato gab es wenig Best-Practice-Beispiele für LGBT*IQ-Aufklärungsarbeit in Produktionsbetrieben. UNITE, das LGBT*IQ-Netzwerk der Covestro Deutschland AG, hat in der Produktion zu LGBT*IQ sensibilisiert. Die Resonanz war durchweg positiv, sodass weitere Veranstaltungen in verschiedenen Bereichen und an unterschiedlichen Standorten geplant sind. Damit ist UNITE ein wahrer Vorreiter, denn Best-Practice-Beispiele anderer Produktionsbetriebe gab es bisher nicht.

RISING STAR AWARD:
bunt/lb von nord/lb

Trotz der Gründung Anfang letzten Jahres hat dieses Netzwerk bereits eine Vielzahl an kreativen Aktionen geplant und durchgeführt. BUNT/LB steht für Akzeptanz und Verständnis auf allen Ebenen des Miteinanders. Neben Vertreter_innen der LGBT*IQ-Community setzen sich auch Allys als Mitglieder der Stiftung für die Belange des Netzwerks ein; die Vorständin agiert auch als Patin.

Am diesjährigen Diversity-Tag hat BUNT/LB alle Mitarbeiter_innen dazu aufgerufen, weiße Gummientchen bunt zu bemalen. Die über 200 kreativ gestalteten Entchen aus verschiedenen Standorten gingen im Anschluss gemeinsam im Unternehmens-Teich baden. Diese kreative Idee war ausschlaggebend bei der Entscheidung für BUNT/LB.

GLOBAL LEADER NETWORK AWARD:
shine von pwc

Dieses Netzwerk setzt sich nicht nur seit bereits zehn Jahren für die LGBT*IQ-Community ein, sondern ist darüber hinaus auch global in über 30 Ländern aktiv. 2023 hat Shine erstmals eine Global LGBT*IQ Inclusion Strategy eingeführt, die die Chancengerechtigkeit der LGBT*IQ-Community mit konkreten Maßnahmen und Zielsetzungen weiter fördern soll. Zu diesen Maßnahmen zählen die Sensibilisierung von Führungskräften, der Ausbau des Netzwerks, die Erhebung von Daten zu Bedürfnissen von LGBT*IQ-Mitarbeiter_innen sowie die Bereitstellung von Bildungsmöglichkeiten und eine stärkere Sichtbarkeit durch Vorbilder.

Um Mitarbeiter_innen diese Lernerfahrungen zu ermöglichen, wurden den gesamten Juni hindurch Workshops, Diskussionsrunden und andere Veranstaltungen angeboten – auch über Staatsgrenzen hinweg – womit Shine dem Titel „Global Leader“ alle Ehre macht.

sustainability AWARD:
pride+ von
hogan lovells

Bei Hogan Lovells werden Diversität und Inklusion international an allen Standorten als strategische Priorität gesehen, was unter anderem durch Richtlinien zu Diskriminierung, die alle LGBT*IQ-Identitäten unter Schutz stellen, sowie eine eigene Gender Pronoun Policy deutlich wird. In den sechs Jahren seit seiner Entstehung hat Pride+ es sich zur Aufgabe gemacht, alle Mitarbeiter_innen und Führungskräfte zu Unconcious Bias zu schulen und das Thema LGBT*IQ auch in die Recruiting-Prozesse miteinzubinden. In Deutschland selbst gilt zudem seit zwei Jahren eine Empfehlung zu genderneutraler Sprache am Arbeitsplatz, die durch wiederholte Schulungen nachhaltig gefestigt wird.

Pride+ hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 eine LGBT*IQ-Quote von mindestens 4% unter seinen globalen Unternehmenspartner_innen zu erreichen. Diese Vision war ein entscheidender Faktor bei der Entscheidung für Pride+.

© PROUT AT WORK / Armin Morbach
MYSTORY mit …

Mano
Berlin

Ehrlich gesagt habe ich mich nie geoutet, weil ich mich nie verstecken musste.

Veröffentlicht: Oktober 2023

Es gibt viele Menschen und Ereignisse, die mich im Laufe meines Lebens geprägt, schockiert und inspiriert haben. Meine Eltern, meine Familie sind meine wichtigsten Vorbilder. Sie haben mir zentrale Eigenschaften und Kompetenzen wie Mut, Respekt und Demut vermittelt. Sie haben den Boden geschaffen, auf dem ich wachsen kann. Meine Eltern wussten sicherlich schon vor mir von meiner Homosexualität. Sie haben allerdings nie nachgefragt – aus Unsicherheit, Angst oder Respekt, ich weiß es nicht. Oder aus dem Grund, weil sie mich lieben. Ehrlich gesagt habe ich mich nie geoutet, weil ich mich nie verstecken musste.

Ich wusste schon sehr früh, dass ich anders bin – durch mein Aussehen, meine Herkunft und auch meine Beziehung zu Jungs.

Ich habe großes Glück, eine liebevolle und respektvolle Familie zu haben. Ich möchte anderen Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, Mut machen und Perspektiven aufzeigen.

Heute arbeite ich als Associate Project Director – Real World Evidence bei Parexel International GmbH. Wir ermöglichen Patient_innen mit schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen den Zugang zu nicht-zugelassenen Arzneimitteln, wenn keine vergleichbaren alternativen Behandlungsmöglichkeiten bestehen, und gewährleisten gleichzeitig eine bestmögliche medizinische Versorgung.

Ich identifiziere mich als queer und glaube, dass eine vielfältige, gerechte und inklusive Welt Fortschritt bedeutet, den Zugang zu besserer Gesundheitsversorgung erleichtert und die Rechte marginalisierter Gruppen stärkt.

Die meisten, wenn nicht alle klinischen Studien konzentrieren sich beim Testen von Arzneimitteln nur auf das binäre Geschlechtermodell, also Mann und Frau – aus Gründen der Sicherheit, Wirksamkeit und Dosierung. Wenn wir keine Informationen über die Geschlechtsidentität sammeln, bedeutet das, dass es möglicherweise einige Krankheiten, Zustände und Risikofaktoren gibt, die in unserer Gemeinschaft ein erhebliches Problem darstellen und uns nicht bekannt sind. Herkömmliche Untersuchungsverfahren, die Vorlagen für Protokolle und Einverständniserklärungen sowie die von uns gesammelten Daten sind oft so konzipiert, dass sie den spezifischen Bedürfnissen und demografischen Gegebenheiten der trans* Community nicht gerecht werden.

Unser Engagement für die Patient_innen muss uns dazu motivieren, einen vielfältigen Patient_innenpool zu erfassen, der unsere Gesellschaft repräsentiert. Wir sind dabei, Methoden, Trainings und Dokumente aufzusetzen, um die Aufnahme von LGBT*IQ-Patient_innen in klinische Arzneimittelstudien zu fördern. Wir müssen medizinisches Fachpersonal besser schulen, damit sie LGBT*IQ-Patient_innen, einschließlich trans* nicht nicht-binäre Menschen, motivieren, an klinischen Studien teilzunehmen.

Ich wünsche mir mehr gegenseitiges Vertrauen und Respekt von trans* und nicht-binären Personen und medizinischen Fachkräften im Rahmen der klinischen Forschung.

MANO, vielen Dank für YourStory!

X hat sich zu einer Plattform entwickelt, auf der rassistische, queer- und transfeindliche, antisemitische sowie andere menschenfeindliche Inhalte immer verbreiteter werden. Diese Inhalte werden nicht gelöscht oder strafrechtlich verfolgt. Stattdessen gelten seit der Übernahme von Elon Musk Wörter wie „cis“ oder „cisgender“ als Beleidigung.

Musk hatte Twitter im Oktober 2022 für 44 Milliarden US-Dollar gekauft und seitdem mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter_innen entlassen. Stattdessen führte er ein Abomodell ein, bei dem die Nutzer_innen das blaue Verifikationshäkchen gegen eine monatliche oder jährliche Zahlung erhalten. Dank diesem erreichen Profile, die diskriminierende Inhalte verbreiten, eine noch größere Reichweite.

PROUT AT WORK lehnt jegliche Form der Diskriminierung ab und setzt sich für LGBT*IQ-Chancengleichheit ein. Die Stiftung schafft inklusive Räume, in denen Diskriminierung und Vorurteile keinen Platz haben. Deshalb ist ein Verbleib auf X für PROUT AT WORK nicht mehr vertretbar.

Die PROUT AT WORK-Foundation schließt sich der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, dem Bundesverband trans*, der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität und vielen weiteren Vereinen und Organisationen an, um ein Zeichen gegen Hass und für Vielfalt zu setzen.

„Unser Ausstieg bei X ist ein klares Signal an die Öffentlichkeit, dass wir Hassrede nicht tolerieren. Wir wollen andere Organisationen dazu animieren, diesen Schritt auch zu gehen und ihre Präsenz bei X zu beenden“, so Albert Kehrer, Vorstand der PROUT AT WORK-Foundation. „Plattformen und soziale Medien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und effektive Maßnahmen ergreifen, um menschenfeindliche Äußerungen und Diskriminierung zu bekämpfen und marginalisierte Gruppen zu schützen.“

Interessierte finden PROUT AT WORK weiterhin auf den sozialen Netzwerken Instagram, Facebook und LinkedIn.   

Im Hintergrund ein Regenbogenfarbverlauf, davor der Text: 18. Oktober: International Pronouns Day! Stereotype abbauen – Vielfalt fördern! Jeden dritten Mittwoch im Oktober feiern wir den International Pronouns Day! Der Tag soll auf Personalpronomen aufmerksam machen, denn sie können helfen, stereotype, binäre Denkmuster aufzulösen. Im Deutschen gibt es für geschlechtsneutrale Pronomen verschiedene Optionen, wie z.B. dey/denen, oder es werden keine Pronomen und nur der Vorname verwendet.

Heute ist #InternationalPronounsDay! Dieser Tag findet jährlich am dritten Mittwoch im Oktober statt und widmet sich dem Thema Personalpronomen.

Insbesondere für Personen, die sich nicht als (strikt) männlich oder weiblich identifizieren, sondern zum Beispiel als genderfluid oder nichtbinär, können Pronomen wichtig sein, um ihre Geschlechtsidentität auszudrücken.

Das Aussehen einer Person sagt dabei nichts über die Pronomen aus, die diese Person verwendet. Deswegen ist es immer wichtig, nach den Pronomen zu fragen!

Viele LGBT*IQ-Personen nutzen Neopronomen, um sich von binärem Geschlechterdenken abzugrenzen und sich in ihrer Identität wohlzufühlen.

Die Mitnennung der eigenen Pronomen kann helfen, sich von stereotypen binären Denkmustern zu befreien und zur Sensibilisierung in unserer Gesellschaft beizutragen.  Nicht jede Person verwendet zwangsläufig die Pronomen „er“ oder „sie“, und es ist wichtig, diesen Menschen mit Respekt zu begegnen.

Eine Studie des Trevor Project bestätigt, dass nicht-binäre Jugendliche häufiger mit mentalen Problemen zu kämpfen haben als cis-Jugendliche.
Mit anderen Worten:
Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und aufmerksam zu sein, wie Menschen angesprochen werden wollen, kann Leben retten.

Pronomen im Arbeitskontext:

Das sichtbare Platzieren der eigenen Pronomen zeigt Unterstützung und hilft,  Missverständnisse zu vermeiden.

Platzieren der Pronomen…

  • … in der E-Mail-Signatur
  • … bei Microsoft Teams
  • … bei Zoom
  • … am physischen Schreibtisch durch Sticker oder Namensschild
  • … etc.
Geschlechtsneutrale Pronomen – Beispiele:

Dey/Denen

Dey telefoniert gerade.
Das ist deren Arbeitsplatz.
Die Präsentation wurde von denen erstellt.
Das Paket ist für dey.

Keine Pronomen

Anouk telefoniert gerade.
Das ist Anouks Arbeitsplatz.
Die Präsentation wurde von Anouk erstellt.
Das Paket ist für Anouk.

Xier/Xiem

Xier telefoniert gerade.
Das ist xies Arbeitsplatz.
Die Präsentation wurde von xiem erstellt.
Das Paket ist für xien.

Alex Gessner
© Alex Gessner
MYSTORY mit …

alex
34 Jahre, frankfurt

„Es waren schwarze trans* Frauen, die mich über die Geschichte
und Gegenwart unserer Community aufgeklärt haben, über das Privileg, in Europa queer zu sein, und über den langen Weg, den wir
noch zurücklegen müssen, um Die Diskriminierung zu beseitigen….“

Veröffentlicht: September 2023

Privilegien, Aufklärung & Coming Outs.

Es ist mir schwergefallen, mich hinzusetzen und diesen Artikel zu schreiben. Es fühlt sich oft so an, als hätte ich nichts Bedeutendes mitzuteilen,  wenn es um mein Coming-out geht. Es war einfach super ereignislos.  Das ist eine sehr privilegierte Position, die vielen Personen unserer Community verwehrt bleibt, die um ihre Sicherheit fürchten müssen, wenn sie sich outen. Ich wünsche mir, dass alle Menschen unserer LGBTQIA2S+-Community ein ereignisloses Coming-out haben und sich in Zukunft vielleicht gar nicht mehr zu outen brauchen.

Als ich 15 Jahre alt war, wurde mir klar, dass ich bi bin. Ich interessierte mich mehr für Xena, die Kriegerprinzessin, und ihre „Freundschaft“mit Gabrielle als für das, was heterosexuelle Mädchen in meinem Alter eigentlich interessieren sollte. Ich fühlte mich zu Männern und Frauen hingezogen und wusste damals noch nicht, dass es noch so viel mehr wunderschöne Geschlechtsidentitäten gibt.

Meine Pubertät war gefüllt mit Schmerz, Unwissenheit und Trauer.

Ich fühle mich nicht nur zu einem Geschlecht hingezogen. Ich wusste es nur nicht, weil es 2003 nicht viele queere Darstellungen gab. 2004 kam The L Word heraus, und obwohl es damals schon sehr schwierige Stories gab, insgesamt nicht gut gealtert ist und kein gutes Beispiel für einen intersektionalen Ansatz ist, hat es damals meine Welt verändert, ebenso wie der L Word-Podcast.

Ich habe es meiner Mutter ziemlich früh und es war keine große Sache. Hauptsächlich, weil sie super tolerant ist, aber auch, weil es sich wahrscheinlich nicht echt angefühlt hat. Eine feste Freundin habe ich nie mit nach Hause gebracht.

Aber ich muss mir Sorgen über ihre Reaktion gemacht haben, denn meine erste Freundin habe ich geheim gehalten. Ich glaube, das lag nicht nur an ihrem Geschlecht, sondern auch daran, dass wir uns online kennengelernt hatten, uns nicht persönlich begegnet waren, weil ein Ozean zwischen uns lag, und ich die ganze Situation mit Scham verband. Ich war 19 und verließ Deutschland, um mit meiner kanadischen Freundin in Brighton, dem queeren Hotspot in Europa, zusammenzuziehen. Wir trennten uns nach 6 Monaten, und ich glaube bis heute, die meisten Personen in meiner Familie und von meinen Freund_innen hielten sie für eine Mitbewohnerin. Meine nächste Beziehung war mit einem Mann. Da war kein Coming-out nötig, jeder kannte ihn als meinen Freund.

Die queere Community blieb ein fester Bestandteil in meinem Leben. Die meisten meiner Freund_innen und Mitbewohner_innen waren queer, ich hatte mich in die Drag-Kunst verliebt und ging zu jeder Show, die ich besuchen konnte. Ich verdanke der Community viel; sie hat mir geholfen, das zu überwinden, was mich davon abhielt, mein eigenes Queersein zu normalisieren, während ich das aller anderen feierte. Sie haben mir gezeigt, wie ich mich selbst akzeptieren kann, wie ich für meine Gemeinschaft kämpfen kann, wie ich in einer Welt existieren kann, die davon ausgeht, dass jede_r heterosexuell ist. Es waren schwarze trans* Frauen, die mich über die Geschichte und Gegenwart unserer Community aufgeklärt haben, über das Privileg, in Europa, in einer queeren Stadt, queer zu sein, und über den langen Weg, den wir noch zurücklegen müssen, um die Diskriminierung ALLER wunderbaren Personen unserer Community zu beseitigen, die Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind, nur weil sie das Leben leben, für das sie geboren wurden. Ich war eine ignorante 20-Jährige und wurde durch ihre Freundlichkeit und ihre Kämpfe aufgeklärt. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich selbst weitergebildet habe – das habe ich in späteren Jahren auch getan -, aber diese anfängliche Aufklärung wurde von den Menschen geleistet, die in unserer Gesellschaft am meisten marginalisiert sind, und ich verdanke ihnen so viel. Ich wurde Aktivistin für die Rechte von queeren Menschen und Frauen und lerne bis zum heutigen Tag weiter. Obwohl noch ein langer Weg vor uns liegt, ist eine der größten Errungenschaften unserer Gemeinschaft für mich: Eine ältere (sie hat mir erlaubt, das zu sagen) trans* Frau sagte letztes Jahr zu mir: „Endlich können trans* Menschen eine Zukunft haben! Als ich aufwuchs, gab es einfach keine Repräsentation und nur die Gefahr, jung zu sterben. Ich wusste nicht, dass ich glücklich werden würde; das war einfach nicht drin. Heute können trans* Kinder eine Zukunft sehen; wir haben trans* Schauspieler_innen, Sportler_innen, Politiker_innen, gewöhnliche Paare, die glücklich sind.“ Dennoch sind wir uns beide einig, dass noch viel getan werden muss, um eine sichere Zukunft für trans* Kinder und Erwachsene zu gewährleisten.

Meine Frau lernte ich 2012 kennen. Wir waren zunächst Kolleginnen und dann jahrelang eng befreundet, bevor sich unsere Freundschaft in Liebe verwandelte. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass zwei Frauen, die nicht verheiratet sind und miteinander abhängen, eine Affäre haben müssenZumindest war das das Gerücht auf der Arbeit, lange bevor wir romantische Gefühle füreinander entwickelten. Ich erinnere mich, als wir ins Kino gingen, war das in der Arbeit eine ganze Woche lang ein heißes Thema. Manchmal erreichten mich Gerüchte, dass wir bei verdächtigen Dingen wie Kaffeetrinken gesichtet worden waren, und manchmal waren diese Gerüchte  frei erfunden.

Die Leute redeten über unsere Beziehung, lange bevor wir eine Beziehung miteinander hatten, und als wir anfingen, uns zu treffen, erzählten wir es niemandem außer zwei Freund_innen auf der Arbeit. Wir waren  einfach.

Dasselbe galt für meine Mutter. Sie hat sofort gemerkt, dass wir zusammen sind, und das war’s. Ich bin einfach durch die Welt gelaufen und habe die Tatsache, dass ich eine Freundin hatte, die dann meine Frau wurde, als normal angesehen, und die meisten Leute haben auch so reagiert. Ich hatte das Privileg, in einem Unternehmen zu arbeiten, das auf Vielfalt achtete, als ich mich in sie verliebte, und als ich das Unternehmen wechselte, war ich in einer so hohen Position, dass sich die Leute nicht trauten, mir etwas Homophobes ins Gesicht zu sagen. Ich bin aber nicht ignorant; ich weiß, dass es hinter meinem Rücken passiert ist. Ich weiß, dass es auch anderen passiert, und ich weiß, dass Homophobie am Arbeitsplatz und in unserer Gesellschaft immer noch weit verbreitet ist. Nach Jahren bemerkenswerter Fortschritte bei den Rechten von queeren Menschen (bei denen es sich im Grunde um Menschenrechte handelt) sehen wir uns mit einem historischen Rückschlag konfrontiert, der die hart erkämpften Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder zunichtezumachen droht, nicht nur in Bezug auf den rechtlichen Schutz, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Und das Paradoxe kommt jetzt: Manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu „langweilig“ für jemand Queeres bin.

Das ist es. Mein Coming Out ist keine besonders interessante Geschichte. Vieles von dem, was interessant ist, steht zwischen den Zeilen: über Dinge, die ich verinnerlicht hatte,  die ich wieder verlernen musste, und über Dinge, bei denen ich komplett und völlig falsch lag. Zum Beispiel, als ich annahm, dass meine bis dahin 100-prozentig heterosexuelle Freundin „uns“ nur als Experiment betrachten würde, dass sie ihrer Familie nie von uns erzählen würde, dass diese neue Erfahrung ihr Selbstbild so erschüttern würde, dass sie davonlaufen würde. Oder dass es ihr schwerfallen würde, sich an eine Beziehung zu gewöhnen, nachdem sie 16 Jahre lang Single war, und dass sie nicht in der Lage sein würde, Platz für mich zu schaffen. Dass es nicht von Dauer sein würde.

Im Juli 2023 sind wir seit 100 Monaten zusammen, seit 4 Jahren verheiratet. Sie weiß immer noch nicht, wie man die Spülmaschine wie ein normaler Mensch einräumt, aber abgesehen davon geht es uns gut.

Die Angriffe auf unsere Community nehmen auf globaler Ebene zu. Es reicht nicht aus, nur die wenigen Rechte und die begrenzte Akzeptanz zu feiern, die Schwule, Lesben und Bisexuelle erreicht haben. Die TIN*-Gemeinschaft ist weit davon entfernt, die gleichen Rechte und die gleiche Akzeptanz zu erfahren. Wir müssen weiterkämpfen, bis die Diskriminierung von queeren BIPOC, queeren Menschen mit Behinderungen, LGBTQIA2S+ Migrant_innen und insbesondere die Diskriminierung gegenüber trans* und nicht-binären Personen beseitigt ist. Wir dürfen uns nicht mit bloßer Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zufriedengeben. Die Gesellschaft ist sich unserer bewusst; was wir brauchen, ist gleicher Schutz, Respekt und Chancen, die allen Menschen in unserer globalen Gemeinschaft zuteilwerden sollten.

(Anmerkung: *TIN bezieht sich auf die Trans*, Inter* und nicht-binäre Personen)

Liebe Alex, vielen Dank für YourStory!

Gemeinsam mit Marcus Brieskorn vom radioSUB unterhielt sich PROUT AT WORK-Vorstand Jean-Luc Vey über das Rainbow Chat Deck.

„Die Idee hinter dem Rainbow Chat Deck war, ein Tool zu entwickeln, durch das Menschen in den Austausch über LGBT*IQ kommen. Durch die Fragen und individuellen Antwortmöglichkeiten sind die Karten auch für Leute gedacht, die bisher sehr wenig mit dem Thema zu tun hatten.“

Das ganze Interview finden Sie hier:
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Rainbow Chat Deck
Dr. Shivaji Dasgupta

„Die Freiheit zu haben, so zu sein, wie man ist, gibt einem so viel mehr Handlungsoptionen, und ermöglicht so viel höhere Produktivität, weil man nichts verstecken muss.“

Viele Menschen denken, dass die sexuelle bzw. geschlechtliche Identität am Arbeitsplatz nichts verloren haben und somit nicht thematisiert werden müssen. Doch die Wahrheit sieht anders aus – das Versteckspiel von nicht geouteten LGBT*IQ Mitarbeiter_innen geht oftmals auf Kosten von Teamgeist, Energie sowie Motivation am Arbeitsplatz und schränkt die Produktivität dieser Menschen immens ein. Aus diesem Grund ist es wichtig eine „offene und integrative Unternehmenskultur zu schaffen, die alle Mitarbeiter_innen dabei unterstützt, ihr volles Potenzial für die Unternehmensziele einzusetzen.“  – so Albert Kehrer, Vorstandsvorsitzender der PROUT AT WORK-Foundation. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, lieferte der diesjährige Keynote Speaker des DINNER BEYOND BUSINESS – Dr. Shivaji Dasgupta – bei einem „Fireside Chat“ eindrückliche Einblicke in seine Welt als Out-Executive und stellte die Wichtigkeit von Engagement für LGBT*IQ Chancengleichheit seitens der Unternehmen heraus.

Beim 6. DINNER BEYOND BUSINESS der PROUT AT WORK-Foundation, gehostet von der Deutschen Post DHL Group in Bonn, stand das Engagement von Unternehmen und deren Führungskräften für die LGBT*IQ Community im Vordergrund. „Uns alle eint heute Abend das Bestreben, dass Menschen mit ihrem authentischen Ich an den Arbeitsplatz kommen können und nicht einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit verstecken müssen.“ – so Dr. Thomas Ogilvie, Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Deutsche Post DHL Group bei seiner Begrüßungsrede. Der Einladung folgten über 35 Senior Executives bedeutender Wirtschaftsunternehmen und -institutionen, darunter Vertreter_innen von BASF, Clifford Chance, Continental, Commerzbank, Ergo, IKEA, ING Diba, NTT Data, Oracle, Otto, Robert Bosch, Sandoz, Sodexo und UniCredit. In direkter Nachbarschaft zum Rhein, genossen die Teilnehmer_innen des hochkarätigen Info- und Netzwerk-Events ein exklusives Dinner. Albert Kehrer erläuterte die Hintergründe des DINNER BEYOND BUSINESS in seiner Begrüßungsrede: „Wir sind der Meinung, dass hinter der Unterstützung für LGBT*IQ ein Business Case steht: Ein individueller für die Menschen, die sich outen, aber auch auf Unternehmensebene – ob B2B oder B2C.“ Highlight des Abends war der „Fireside Chat“ des Vorstandsvorsitzenden der gastgebenden PROUT AT WORK-Foundation, gemeinsam mit Keynote Speaker Dr. Shivaji Dasgupta, Out-Executive und Chief Data Officer bei Unicredit über Vielfalt, Verantwortung und Vorbildfunktion.

„Die Leute wissen dann, dass sie einem auch in Bezug auf andere Themen vertrauen können – man erhält als Führungskraft einen zusätzlichen Vertrauensbonus, wenn man ganz offen und ehrlich ist.“

Zu Beginn des rund 45-minütigen Talks teilte Dasgupta private Einblicke als Out-Executive: „99% der Reaktionen auf mein Coming Out waren überaus positiv. Die Freiheit zu haben, so zu sein, wie man ist, gibt einem so viel mehr Handlungsoptionen, und ermöglicht so viel höhere Produktivität, weil man nichts verstecken muss.“. Gleichzeitig hat es einen deutlichen Einfluss auf das berufliche Umfeld: „Die Leute wissen dann, dass sie einem auch in Bezug auf andere Themen vertrauen können – man erhält als Führungskraft einen zusätzlichen Vertrauensbonus, wenn man ganz offen und ehrlich ist.“ Und auch Unternehmen profitieren laut Dasgupta beträchtlich vom Einsatz für LGBT*IQ-Chancengleichheit: Sei es durch bessere Ergebnisse aufgrund diverserer Teams oder beim Werben um talentierte Mitarbeiter_innen.

„Executive Allies sind so wichtig, weil sie in der Organisation ein sehr starkes Signal aussenden, dass diskriminierendes Verhalten nicht toleriert wird.“

Ebenfalls wurde der Einfluss von Allies im „Fireside Chat“ hervorgehoben: „Executive Allies sind so wichtig, weil sie in der Organisation ein sehr starkes Signal aussenden, dass diskriminierendes Verhalten nicht toleriert wird“. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen rechtlichen Gegebenheiten für LGBT*IQ weltweit ist es dem gebürtigen Inder außerdem ein Anliegen, die hiesigen Freiheiten zu schätzen und zu nutzen:

„Wir sollten uns alle glücklich schätzen, dass wir dort sind, wo wir sind, und diese Gelegenheit nutzen, um anderen zu helfen.“

AUfzeichnung des Talks mit DR. SHIVAJI DASGUPTA
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Wir freuen uns beim ersten Rainbow-Day am 13. Juli an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main dabei zu sein.

Die Karriere- und Kontaktmesse ermöglicht allen Interessierten eine außergewöhnliche Gelegenheit, in einer angenehmen Atmosphäre in Gespräche mit Unternehmen zu treten, die eigenen Karrierechancen auszuloten und zu erfahren, wie eine moderne Firma allen Mitarbeitenden ein zeitgemäßes, wertschätzendes Arbeitsumfeld bietet.

Zum Austausch bieten sich die Standgespräche an den Messeständen im Hörsaalzentrum an, die über die Unternehmensstände hinausgehen. Denn viele weitere Partner_innen des Rainbow-Day sind vertreten: Hochschulinstitutionen, studentische Vereine, die Presse – allen ist Diversität wichtig.

Das Rahmenprogramm mit Vorträgen und Panels geht inhaltlich noch einen Schritt weiter und ist auch für alle diejenigen interessant, welche aktuell keinen (neuen) Karriereweg einschlagen möchten.

In der Besucher_innenlounge bietet sich Platz zum verweilen und austauschen, kostenfreie Getränke stehen hier zur Verfügung.

RECAP

Wir durften am Donnerstag, den 4. Mai 2023, Maxi Pichlmeier als Gast bei unserem PROUT PERFORMER Lunch Talk begrüßen.

Hier gelangt Ihr zur Aufzeichnung des Gesprächs:

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Über Maxi:
Foto_Maxi Pichlmeier_Lunch Talk
© Vera Johannsen

Wer Maxi nicht kennt: Digitale Medien sind ihm alles andere als fremd und er hat einiges zu sagen, wenn es um queeres Leben, Politik und Medien geht. Denn: Queersein ist auch 2023 politisch! Auf Maxi Pichlmeiers TikTok-Account geht es um queere News, queere Politik und die Gay Community, zu der er selbst gehört. In seinen Videos verarbeitet er eigene Erlebnisse und will News an junge (queere) Menschen bringen.