Anastasia Biefang

© PROUT AT WORK / Armin Morbach
MYSTORY mit …

anastasia
49 Jahre, berlin

meine nicht-anpassung, mein sichtbarer ausdruck als gender non-conforming, nimmt mir nicht mein frausein.“

Veröffentlicht: November 2023

Ich weiß nicht wirklich, wann meine bewusste und beschwerliche Reise zu mir selbst begonnen hat. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob das der entscheidende Punkt für diese Geschichte ist. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, erkenne ich heute, dass ich unterscheiden muss und möchte zwischen dem Weg zu mir hin als transgeschlechtliche Frau und meinem Leben als trans* Frau. Diese Unterscheidung ist mir persönlich wichtig, denn das Leben nach dem Coming Out 2015 hat mich als trans* und queere Person deutlich mehr geprägt als alles andere davor.

Mit 17 Jahren fand ich mich im Kleiderschrank meiner Mutter wieder und fühlte etwas Unerklärliches.

Immer mehr keimte in mir die Gewissheit, dass ich eben nicht der Mann bin, den die Welt in mir sieht und mich entsprechend als solchen behandelt. Ich konnte und wollte mit diesen Gefühlen nicht umgehen. Ich drängte meine wahre Identität zurück und zwang mich in die klassischen heteronormativen Muster. Mit Mitte zwanzig heiratete ich meine erste Frau. Zu dem Zeitpunkt war ich auch bereits Soldat in der Bundeswehr. Ich wurde 1994 eingezogen und entschloss mich dann für die Offizierslaufbahn. Zwei Institutionen, die in mir beide einen Mann sahen und stets erwarteten, prägten mein Leben. Im Verdrängen meiner Bedürfnisse war ich gut. Das Fehlen von trans* Vorbildern in der Gesellschaft verstärkte in mir das Bedürfnis, aktiv gegen mein inneres Ich vorzugehen. Scham und Abscheu gegen mich selbst waren meine ständigen Begleiter.

2015 durchbrach ich endlich dieses Muster. Ich konnte nicht mehr und wollte auch nicht mehr. Es war kein Mut, sondern Verzweiflung. Ich wollte endlich leben. Ich wollte ich sein. Mit diesem Schritt fing die zweite Phase an. Noch während der Transition merkte ich, dass ich zwar ich sein konnte, aber auch dieser Weg von Hindernissen und einer nicht immer akzeptierenden Gesellschaft geprägt war. Ich wollte sichtbar sein für andere trans* Personen. Ich wollte ein Orientierungspunkt für andere sein, meine Geschichte erzählen. Dieser Gedanke erweckte unwahrscheinlich viel Kraft in mir. Ich engagierte mich mehr und mehr und wurde langsam zu einer Aktivistin für trans* und queere Rechte – sowohl an meinem Arbeitsplatz als auch außerhalb der Gesellschaft.

Ich wehrte mich weiterhin gegen fremdbestimmte Zuschreibungen und Rollenerwartungen an mein nach außen gelebtes, weibliches Geschlecht. Ich habe genug davon, ständig daran gemessen zu werden, wie weiblich ich auf Dritte wirke.

Welche Attribute an mir, an meinem Körper, mich in der Fremdwahrnehmung als Frau bestätigen und welche den Hinweis auf meine nicht-cis-Natur geben. Ich bin froh, endlich an dem Punkt angekommen zu sein, der Bestätigung durch andere nicht länger zu bedürfen. Jahrelang hat mich das Gefühl, äußerlich nicht als Frau bestehen zu können, in meiner Identität zurückgehalten. Und meine nicht-Anpassung, mein sichtbarer Ausdruck als gender non-conforming, nimmt mir nicht mein Frausein.

Ich bin Anastasia, 49, bunt, laut und queer. Ich bin ein Einhorn in Flecktarn und kämpfe bis zum Äußersten für die Sache, an die ich glaube. Revolution statt Evolution.

Liebe anastasia, vielen Dank für YourStory!