Der Trans* Day of Visibility (TDoV) findet seit 2009 jährlich am 31. März statt. Der Tag dient dazu, Bewusstsein und Sichtbarkeit für trans* Personen zu schaffen und auf bestehende Diskriminierungen und Transfeindlichkeit aufmerksam zu machen. Der Tag bietet außerdem eine besondere Möglichkeit für cis Personen, sich solidarisch mit trans* Menschen zu zeigen und für gleiche Rechte einzustehen. Für uns ist klar: #TransRightsAreHumanRights.

Trans* wird adjektivisch genutzt und dient als Überbegriff für Menschen, deren das bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht nicht mit ihrer geschlechtlichen Identität übereinstimmt. Der Stern (auch Asterisk) steht dabei für die Vielzahl der Möglichkeiten geschlechtlicher Identitäten und geschlechtlicher Ausdrücke. Trans* bezeichnet also ein diverses Spektrum an Identitäten, Lebensweisen und Konzepten, die sich nicht ausschließlich binär verorten (lassen) möchten.

Alle Menschen sollen das Recht haben über eine eigene Definition ihrer geschlechtlichen Identität zu bestimmen. Das sogenannte „Transsexuellengesetz“ (TSG) verhindert dies seit Jahrzehnten und ist ein Beispiel für die andauernde Diskriminierung von trans* Menschen. Das neue Selbstbestimmungsgesetz wird das TSG jedoch ablösen, um trans* Menschen vor langwierigen und demütigenden Verfahren zu schützen und es zu vereinfachen, ihre Grund- und Menschenrechte zu wahren.

Mehr Informationen zu trans* und trans* Personen findet ihr auf der Website des Queerlexikons.

Anlässlich des diesjährigen TDoV wollen wir Euch mit den Büchern „Being Human“ von Alice Oehninger und „Ich bin Linus: Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war“ von Linus Giese, dem Film „Trans – I Got Life“ und den MyStory’s von Hanna Brungs und Marit Wiechmann persönliche Geschichten von trans* Personen vorstellen, aber auch Tipps und Infos zu trans* am Arbeitsplatz über unseren How To Guide Nr. 9 „Trans* und Transitionen am Arbeitsplatz“ geben.

ICH BIN LINUS: WIE ICH DER MANN WURDE, DER ICH SCHON IMMER WAR – Linus Giese

Dass er trans* ist, ahnte Linus schon seitdem er sechs Jahre alt ist. Doch aus Scham und Unwissenheit über Begriffe wie queer, trans* und nicht-binär versteckt er lange Zeit sein wahres Ich. 2017 befreit er sich mit dem Satz „Ich bin Linus“ aus seinem alten Leben. Ferner erzählt Linus Giese in seinem Buch offen von den Höhen und Tiefen seiner Reise, auf der er immer wieder Hass begegnet, vor allem im Internet. Doch das hindert ihn nicht daran, sich für die Rechte von trans* Menschen einzusetzen.

BEING Human – Eine Autobiographie von Alice Oehninger
Being Human - Biographie von Alice Oehninger

Alice ist trans*. Sie sieht aus wie ein weisser Junge. Im traditionellen Tansania wird von ihr erwartet, dass sie diese Rolle spielt. Sie durchlebt Liebe und Ablehnung und entdeckt den starken Wunsch, ein Elternteil zu sein. In der Rolle eines Mannes heiratet sie und findet ihr Glück in Deutschland, bis eine Krise ihre zerbrechliche Welt zerstört.

Begegnungen und Grenzübertritte in Kulturen und Gender. Eine sehr persönliche Geschichte, die berührt und zum Nachdenken einlädt.

Trans – I Got Life

„TRANS – I Got Life“ destilliert aus den Lebensgeschichten von sieben charismatischen Menschen das weite Spektrum der Transidentität. „TRANS – I Got Life“ ist eine sinnliche Reise in die Zwischenwelten jenseits festgeschriebener Geschlechternormen, in intime Lebensräume und in die Chirurgie, die zum Kreißsaal für eine zweite Geburt wird. Subtil und vielschichtig wird dabei das Trans*erleben auch auf die Bild-und Tonebene übertragen.

Trans* und Transitionen am Arbeitsplatz – How To Guide Nr. 9

Der Guide rollt das Thema trans* am Arbeitsplatz auf und spricht dabei Arbeitgeber_innen, Kolleg_innen und trans* Personen selber an. Enthalten sind Tipps, Infos und Erfahrungsberichte, um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken und aufzuklären. Zusätzlich wird ein beispielhafter Ablauf einer Transition am Arbeitsplatz skizziert und Hilfestellung zur Kommunikation geboten.

Nacht der erkenntnis – MyStory mit Hanna
MyStory Hanna Brungs

„Ich war sehr lange auf der Suche nach mir selbst und habe das zeitweise mit der Suche nach anderen, materiellen Dingen verwechselt – und ich musste feststellen, dass diese Dinge mich eben nicht wirklich glücklich machten.“

TRans* ist etwas Wunderbares – MyStory mit MArit Wiechmann

„Als Frau habe ich jetzt den Mut, Dinge zu tun, Entscheidungen zu treffen und Hilfe anzunehmen. Warum? Was soll schon passieren, wenn mal was schiefgeht? Ich bin schließlich ein Mensch mit Stärken und Schwächen und darf Fehler machen, aber auch erfolgreich sein.“

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Weitere hilfreiche Informationen und Interviews finden Sie auch in unseren Beiträgen
zum Trans* Day of Visibility aus den vergangenen Jahren 20192021 und 2022.

PROUT EMPLOYER BCG PLATINION

„Indem wir Diversität willkommen heißen, bereichern wir nicht nur die Kultur unserer Organisation, sondern beflügeln auch Innovation und Kreativität.“

Matthias Burghardt ist Associate Director bei BCG Platinion und unterstützt Finanzdienstleister in Zentraleuropa bei Digitalen Transformationen. Er hat in Karlsruhe Informationswirtschaft studiert und anschließend in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Matthias leitet die DE&I Aktivitäten von BCG Platinion in Zentraleuropa sowie das LGBTQ+-Netzwerk Pride @ BCG Platinion in EMESA, in welchem alle Aktivitäten der Pride Members und Allies koordiniert werden.

Sie waren sofort zu einem gemeinsamen Interview bereit
– danke nochmals dafür! Warum ist es für Sie eine
Herzensangelegenheit bzw. ein Anliegen, queere Personen
am Arbeitsplatz zu unterstützen?

 

Matthias Burghardt: Für mich ist die Unterstützung queerer Menschen im Berufsleben von großer Bedeutung, denn sie schafft eine Umgebung, die wirklich inklusiv und respektvoll ist und in der sich jede_r einzelne entfalten kann. Indem wir Diversität willkommen heißen, bereichern wir nicht nur die Kultur unserer Organisation, sondern beflügeln auch Innovation und Kreativität. Es zeigt unser Engagement für Gleichberechtigung, denn wir stellen sicher, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, die gleichen Chancen haben und einen Beitrag zu unserem gemeinsamen Erfolg leisten.

Welche Initiativen in Bezug auf Chancengleichheit queerer
Personen am Arbeitsplatz verfolgen Sie in Ihrem Unternehmen?

 

Matthias Burghardt: Wir setzen uns dafür ein, gleiche Chancen für queere Mitarbeitende durch einen mehrdimensionalen Ansatz zu fördern. Wir bauen ein vielfältiges Team auf, indem wir aktiv neue Mitarbeitende aus einem breiten Spektrum rekrutieren und damit eine inklusive Umgebung fördern, in der alle ihr wahres Ich einbringen können. Unsere Initiativen verbinden unsere Pride-Mitglieder und Allies gleichsam durch eine „Secret Sauce“, durch die eine Gemeinschaft entsteht. Zudem möchten wir auch in unserer externen Kommunikation unser Engagement für LGBTQ+-Inklusion widerspiegeln.

Welche Rolle spielen Allies in Ihrer Organisation und
wie binden Sie sie in Ihre LGBTQ+-Initiativen ein?

 

Matthias Burghardt: Allies sind unglaublich wichtig für die Akzeptanz und Inklusion von LGBTQ+-Personen. Vor allem Allies, die sich stark und aktiv für queere Anliegen einsetzen, sind essenziell dafür, dass sich LGBTQ+-Personen am Arbeitsplatz komplett akzeptiert und wohl fühlen. Wir wissen, wie wichtig dieses Gefühl für queere Mitarbeitende ist und das erreicht man nur mit der Integration des Themas in die Firmenkultur. Allyship ist mehr als nur das Profilbild auf LinkedIn zu ändern und ein Event für queere Mitarbeitende im Jahr zu veranstalten. Allies sind bei uns ein integraler Bestandteil der Pride Community.

Was hat BCG Platinion dazu bewegt, PROUT EMPLOYER zu werden,
und was wünschen Sie sich im Rahmen unserer Kooperation?

 

Matthias Burghardt: Unsere Motivation, ein PROUT EMPLOYER zu werden, resultiert aus dem starken Wunsch, einen inklusiven Arbeitsplatz zu fördern, der Vielfalt feiert und die LGBTQ+-Community unterstützt. Wir möchten mit gutem Beispiel vorangehen und Gleichberechtigung sowie Akzeptanz fördern. In der Zusammenarbeit mit PROUT AT WORK streben wir an, Best Practices auszutauschen, innovative Diversitätsinitiativen voranzutreiben und durch Engagement in der Community eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Gemeinsam können wir eine inklusivere Welt schaffen, in der alle die Möglichkeit haben, sich selbst zu entfalten.

Was würden Sie anderen Unternehmen raten, die
Queer Diversity noch nicht für sich entdeckt haben?

 

Matthias Burghardt: Unternehmen müssen Diversität als Asset betrachten. Es bereichert die Unternehmenskultur, fördert Innovation und spricht einen breiteren Personenkreis an. Unternehmen sollten damit beginnen, eine sichere, inklusive Umgebung zu schaffen, in der alle Stimmen gehört und geschätzt werden. Investitionen in Diversitätstrainings, Unterstützung von LGBTQ+-Mitarbeitendenetzwerken und die Schaffung von Richtlinien im Unternehmen sind entscheidend. Die Partnerschaft mit Organisationen wie PROUT AT WORK kann diesen Weg beschleunigen. Vielfalt ist nicht nur richtig; sie ist geschäftsnotwendig. Kein Unternehmen kann es sich leisten, darauf zu verzichten.

Lieber Matthias Burghardt, vielen Dank für das Gespräch!

 

 

PROUT EMPLOYER Sanofi

„Als Sponsorin des Netzwerks liegt mir die queere Community besonders am Herzen. Weder bei Sanofi noch in der übrigen Gesellschaft können wir auf Vielfalt und Talente jeglicher sexueller Orientierung, Religion, Alter oder Herkunft verzichten.“

Dr. Theresa von Fugler ist Biochemikerin, „Macherin“ und Familienmensch. Als Führungskraft mit globaler Erfahrung in der Markenartikelindustrie ist sie seit September 2021 Geschäftsführerin bei Sanofi Consumer Healthcare in Deutschland. Dort verantwortet sie den Bereich der rezeptfreien Arzneimittel aus der Apotheke. Dazu gehören Marken zur Behandlung von Kopfschmerzen, Husten, Bauchschmerzen, Verstopfung sowie Allergien. Sie ist Sponsorin des internen LGBT*IQ-Netzwerks in Deutschland und setzt sich besonders für Diversity am Arbeitsplatz ein. Privat ist Theresa sportlich aktiv und findet beim Imkern Abwechslung.

Die globale Diversity-Strategie von Sanofi trägt den Namen
„all in“. Was bedeutet dieser Slogan für Dich?

 

Dr. Theresa von Fugler: Wie der Name schon sagt, ist “all in” für mich eine positive Bezeichnung dafür, dass sich bei uns Menschen jeglicher Vielfaltsdimension entfalten können. Die Mitarbeiter_innen von Sanofi in Deutschland sind das Spiegelbild der Gesellschaft – hier arbeiten Menschen unterschiedlicher Herkunft, Erfahrung, Einstellung und Hautfarbe. Wir wollen so vielfältig sein, wie die Patient_innen, für die wir arbeiten.

Die chancengerechte Entwicklung aller Mitarbeiter_innen ist Teil der Unternehmenskultur und ein strategischer Erfolgsfaktor. Inklusion ist kein Minderheitenprogramm. Wir wollen ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle ohne jegliche Form von Diskriminierung wertgeschätzt und gefördert fühlen.

Welche Initiative oder Aktion zur Chancengleichheit
queerer Menschen bei Sanofi hat Dich besonders beeindruckt?

 

Dr. Theresa von Fugler: Der Sanofi-Truck beim Christopher Street Day 2023 hat mich nachhaltig fasziniert. Mit welcher Leidenschaft und Freude unser Team am CSD teilgenommen hat – das hat viele Menschen inspiriert, ebenfalls dabei zu sein. An diesem Tag Flagge zu zeigen, war ein klares Bekenntnis zu LGBT*IQ und „all in“. Wunderbarerweise ist unser LGBT*IQ-Netzwerk seitdem um weitere Mitglieder gewachsen. Für mich ist das eine wichtige Botschaft – denn Vielfalt sollte positiv besetzt sein. Nicht umsonst steht ein ausdrucksstarkes und buntes Symbol – der Regenbogen – für die LGBT*IQ-Gemeinschaft weltweit.

Was sind Deiner Meinung nach die großen Themen und Heraus-
forderungen hinsichtlich Queer Diversity in den kommenden
Jahren?

 

Dr. Theresa von Fugler: Herausfordernd ist vor allem das Spannungsfeld, das mit LGBT*IQ Diversity einhergeht. Das betrifft Sanofi genauso wie die gesamte Gesellschaft. Es gilt auf der einen Seite, Menschen dazu zu ermutigen, dass sie zu ihrer Einzigartigkeit stehen, wofür es vor allem Akzeptanz und Selbstverständlichkeit braucht. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich an den Maßnahmen zur Stärkung von LGBT*IQ Diversity stören – egal ob sie damit direkt oder indirekt in Berührung kommen. Dies verstärkt das gesellschaftliche Spannungsfeld.

Was hat Sanofi dazu bewegt, PROUT EMPLOYER zu werden, und
was wünschst Du Dir im Rahmen unserer Kooperation?

 

Dr. Theresa von Fugler: Für uns war direkt zu Beginn der Gründung unseres internen LGBT*IQ-Netzwerks „PRIDE+ DE“ klar, dass wir uns Unterstützung und Expertise von außen dazu holen wollen. Ziel war es mit dem Start, die Arbeits- und Wachstumsqualität des Netzwerks weiterzuentwickeln. Jedes Netzwerk hat von Beginn an eine Lernkurve. Wir wollten mit einem starken Partner Anfangsfehler vermeiden und strategisch klug agieren. Auch tut es gut, sich konkret über Firmengrenzen hinweg zu vernetzen, um voneinander zu lernen und sich gegenseitig im Arbeitsalltag zu stärken.

Was würdest Du anderen Unternehmen raten,
die Queer Diversity noch nicht für sich entdeckt haben?

 

Dr. Theresa von Fugler: Als Sponsorin des Netzwerks liegt mir die LGBT*IQ-Community besonders am Herzen. Weder bei Sanofi noch in der übrigen Gesellschaft können wir auf Vielfalt und Talente jeglicher sexueller Orientierung, Religion, Alter oder Herkunft verzichten. Aber nur, wenn Chancen gerecht verteilt werden, können Talente ihr volles Potenzial entfalten. Diverse Gruppen helfen, Barrieren in den Köpfen und Hindernisse im Berufsalltag abzubauen.

Für mich steht fest: Sich mit vielfältigen und unterschiedlichen Menschen zu umgeben, bringt uns alle weiter, da bin ich mir sicher.

Liebe Dr. Theresa von Fugler, vielen Dank für das Gespräch!

 

 

PROUT EMPLOYER Infineon Technologies AG

„Mein Ziel ist es, Vielfalt in meinem direkten Verantwortungsbereich zu leben und zu fördern, scheue aber nicht davor zurück, darüber hinaus zu unterstützen.“

Raphael kam im Mai 2016 als Senior Expert für Ethical Hacking und Incident Management zu Infineon. Bevor er zu Infineon wechselte, arbeitete er als Sicherheitsberater für verschiedene nationale und internationale Unternehmen. 2017 übernahm Raphael seine erste Führungsrolle bei Infineon und baute das Cyber Defense Center als globales Team auf. Im Jahr 2020 übernahm und entwickelte er dann das Cyber Security Team bei Infineon. Im Juni 2023 wurde die Rolle auf alle Sicherheitsthemen ausgeweitet. Raphael war immer Teil von multinationalen Teams und Unternehmen, was ihm sehr viel Freude und Bereicherung im Arbeitsalltag bringt.

Raphael hat 2013 sein Studium der Informatik an der Universität Tübingen abgeschlossen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Raphael wohnt in München, ist aber in Baden-Württemberg geboren. Fun Fact: Sein Schwäbisch ist genauso schlecht wie sein „Hochdeutsch“ ;).

Sie waren sofort zu einem Interview bereit – vielen Dank noch
einmal dafür! Warum ist es für Sie wichtig, queere Themen zu
unterstützen?

 

Raphael Otto: Vielfalt in allen Dimensionen, sei es Geschlecht, Nationalität, körperliche/geistige Fähigkeit oder sexuelle Orientierung, um nur einige zu nennen, liegt mir sehr am Herzen. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft von unterschiedlichen Perspektiven profitieren. Ich glaube auch, dass wir als Arbeitgeber eine Verantwortung haben, wenn es darum geht, unsere Werte zu leben und zu fördern. Mein Ziel ist es, Vielfalt in meinem direkten Verantwortungsbereich zu leben und zu fördern, scheue aber nicht davor zurück, darüber hinaus zu unterstützen. Als ich gefragt wurde, ob ich als Sponsor für unsere LGBT* & Friends Community zur Verfügung stehen würde, fühlte ich mich sehr geehrt und sagte sofort zu.

Welche Initiative in Bezug auf Chancengleichheit für queere
Menschen war bei Infineon besonders erfolgreich?

 

Raphael Otto: Im Juni, während des Pride Months, nahm Infineon an mehreren Pride-Paraden (z. B. in München) teil, um seine Unterstützung zu zeigen und das Bewusstsein für die LGBTQIA+ Community, ihre Geschichte, Kultur und ihren kontinuierlichen Einsatz für Chancengleichheit zu stärken. Das sehr positive Feedback, das wir von unseren Mitarbeiter_innen und externen Stakeholdern erhalten haben, zeigt, dass unser Engagement gut ankommt und motiviert uns, unseren Einsatz für LGBTQIA+ weiterzuführen.

Was sind Ihre Wünsche und Ziele in Ihrer Rolle als Sponsor
für die Infineon LGBT* & Friends Community?

 

Raphael Otto: Während die LGBT* & Friends Community schon viel erreicht hat, stehen wir bei Infineon noch am Anfang unserer Reise. Mein Wunsch ist es, die Community durch Beratung, Sichtbarkeit und praktische Begleitung bei verschiedenen Aktivitäten und Veranstaltungen zu unterstützen. Insbesondere möchte ich den Kolleg_innen Hilfe anbieten, wenn es um das Thema LGBTQIA+ Inklusion auf globaler Ebene geht. Da wir ein weltweit operierendes Unternehmen sind, sind wir mit der Realität eines unterschiedlichen Bewusstseins und einer unterschiedlichen Akzeptanz von LGBTQIA+ Themen konfrontiert, was für unsere interne Gemeinschaft eine Herausforderung darstellen kann. Ich hoffe, dass ich dabei helfen und mich für sie einsetzen kann.

Wie reagieren Sie, wenn Menschen die Wichtigkeit von
queerer Inklusion in Frage stellen?

 

Raphael Otto: Wie bei jeder Dimension von Vielfalt und Inklusion versuche ich in der Regel zuerst, die Argumente hinter den Vorbehalten zu hören. Ich stelle die Argumente in Frage, indem ich die Bedeutung von Vielfalt für erfolgreiche Teams und das Bedürfnis aller Menschen nach einem Gefühl der Zugehörigkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft und natürlich auch am Arbeitsplatz hervorhebe. Ich mache deutlich, dass jeder Mensch so akzeptiert werden möchte, wie er ist, und dass dies ein Menschenrecht ist, das nicht in Frage gestellt werden sollte.

Was hat Infineon motiviert, PROUT EMPLOYER zu werden und
was erhofft sich Infineon von der Kooperation mit
PROUT AT WORK?

 

Raphael Otto: Wir bei Infineon wollen einen Arbeitsort bieten, an dem jede Person akzeptiert wird, sich zugehörig fühlt und ihr authentisches Selbst bei der Arbeit einbringen kann. Die Teilnahme am PROUT EMPLOYER Programm ist eine großartige Chance für uns, unser Engagement für Diversity & Inclusion zum Ausdruck zu bringen und unser Wissen darüber zu erweitern, wie wir als PROUT EMPLOYER die LGBTQIA+ Mitglieder von Infineon unterstützen können. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit PROUT AT WORK, die uns mit ihrer Expertise begleiten werden, um das beste Infineon für Menschen jeglicher sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsausdruck zu schaffen.

Lieber Raphael Otto, vielen Dank für das Gespräch!

 

 

© PROUT AT WORK / Armin Morbach
MYSTORY mit …

duke
28 Jahre, hamburg

„manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu ‚langweilig‘ für
jemand queeres bin.“

Veröffentlicht: November 2023

Ich bin Duke, eigentlich sogar Aaron Duke, aber alle kennen mich als Duke. Der Name Aaron kommt von meinen Eltern. Da ich ein trans* Mann bin, durfte ich meine Vornamen neu auswählen und mir war es wichtig, dass mir meine Eltern wieder meinen ersten Namen geben. Ich bin 28, in Deutschland geboren und habe chinesische Wurzeln.

Meine Pubertät war gefüllt mit Schmerz, Unwissenheit und Trauer.

Ich wusste sehr lange nicht, was mit mir war. Ich war immer anders und gehörte zu den Leuten, die alles versucht haben, um dazuzugehören. Mit 14 habe ich dann beschlossen, meine Haare abzuschneiden, mir Kleidung aus der Jungs-Abteilung zu kaufen und endlich mehr Ich zu sein. Doch auch das war echt schwierig. Ich erkannte, dass ich ein Mann bin, doch fragte mich, was denn einen Mann ausmacht und wie Männer sein sollen?

Ich verlor mich in einer Welle der toxischen Männlichkeit. Wollte stark sein, wollte groß sein, wollte Mann sein. Bin ich jetzt ein Mann? Menschen misgenderten mich, haben nicht verstanden, was ich darstellen wollte, verurteilten und belächelten mich – ich wollte doch nur ein Mann sein.

Ein Mann weint nicht, ein Mann ist nicht schwach, ein Mann schminkt sich nicht. Ich hatte viele Momente vor meiner Transition, in denen ich versucht habe, mich zu schminken. Der Gedanke, Schminke oder Nagellack zu tragen, verflog immer mehr mit meiner Transition. Ich bin nun ein Mann und alle sehen es auch so. Doch dürfen sich nur Frauen schminken? Dürfen nur Frauen bunte und glitzernde Dinge tragen? Ich muss ehrlich sein, ich fühle mich in meinen unscheinbaren, meist dunklen Klamotten schon wohler. Ich würde mich in einem Kleid oder mit ausgefallenem Lidschatten wahrscheinlich nicht wohl fühlen. Aber warum nicht? Warum dürfen nur Frauen das? Warum fühle ich mich damit unwohl? Weil Männer das nun mal nicht tun? Weil uns Männern das immer abgesprochen wird? Weil wir belächelt werden? Weil wir dann verrückt und unseriös sind?

Und das Paradoxe kommt jetzt: Manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu „langweilig“ für jemand Queeres bin.

Ich bin 28. Seit sechs Jahren auf Testosteron. Vor vier Jahren Brust- und Gebärmutterentfernung. Seit einigen Jahren in meinem Ich angekommen. Und doch ist meine Selbstfindung noch nicht beendet.

Lieber duke, vielen Dank für YourStory!
BIG IMPACT INITIATIVE AWARD:
UNITE von Covestro

Manche Unternehmensbereiche werden durch LGBT*IQ-Unternehmensnetzwerke mehr erreicht, andere haben kaum Berührungspunkte damit. Bis dato gab es wenig Best-Practice-Beispiele für LGBT*IQ-Aufklärungsarbeit in Produktionsbetrieben. UNITE, das LGBT*IQ-Netzwerk der Covestro Deutschland AG, hat in der Produktion zu LGBT*IQ sensibilisiert. Die Resonanz war durchweg positiv, sodass weitere Veranstaltungen in verschiedenen Bereichen und an unterschiedlichen Standorten geplant sind. Damit ist UNITE ein wahrer Vorreiter, denn Best-Practice-Beispiele anderer Produktionsbetriebe gab es bisher nicht.

RISING STAR AWARD:
bunt/lb von nord/lb

Trotz der Gründung Anfang letzten Jahres hat dieses Netzwerk bereits eine Vielzahl an kreativen Aktionen geplant und durchgeführt. BUNT/LB steht für Akzeptanz und Verständnis auf allen Ebenen des Miteinanders. Neben Vertreter_innen der LGBT*IQ-Community setzen sich auch Allys als Mitglieder der Stiftung für die Belange des Netzwerks ein; die Vorständin agiert auch als Patin.

Am diesjährigen Diversity-Tag hat BUNT/LB alle Mitarbeiter_innen dazu aufgerufen, weiße Gummientchen bunt zu bemalen. Die über 200 kreativ gestalteten Entchen aus verschiedenen Standorten gingen im Anschluss gemeinsam im Unternehmens-Teich baden. Diese kreative Idee war ausschlaggebend bei der Entscheidung für BUNT/LB.

GLOBAL LEADER NETWORK AWARD:
shine von pwc

Dieses Netzwerk setzt sich nicht nur seit bereits zehn Jahren für die LGBT*IQ-Community ein, sondern ist darüber hinaus auch global in über 30 Ländern aktiv. 2023 hat Shine erstmals eine Global LGBT*IQ Inclusion Strategy eingeführt, die die Chancengerechtigkeit der LGBT*IQ-Community mit konkreten Maßnahmen und Zielsetzungen weiter fördern soll. Zu diesen Maßnahmen zählen die Sensibilisierung von Führungskräften, der Ausbau des Netzwerks, die Erhebung von Daten zu Bedürfnissen von LGBT*IQ-Mitarbeiter_innen sowie die Bereitstellung von Bildungsmöglichkeiten und eine stärkere Sichtbarkeit durch Vorbilder.

Um Mitarbeiter_innen diese Lernerfahrungen zu ermöglichen, wurden den gesamten Juni hindurch Workshops, Diskussionsrunden und andere Veranstaltungen angeboten – auch über Staatsgrenzen hinweg – womit Shine dem Titel „Global Leader“ alle Ehre macht.

sustainability AWARD:
pride+ von
hogan lovells

Bei Hogan Lovells werden Diversität und Inklusion international an allen Standorten als strategische Priorität gesehen, was unter anderem durch Richtlinien zu Diskriminierung, die alle LGBT*IQ-Identitäten unter Schutz stellen, sowie eine eigene Gender Pronoun Policy deutlich wird. In den sechs Jahren seit seiner Entstehung hat Pride+ es sich zur Aufgabe gemacht, alle Mitarbeiter_innen und Führungskräfte zu Unconcious Bias zu schulen und das Thema LGBT*IQ auch in die Recruiting-Prozesse miteinzubinden. In Deutschland selbst gilt zudem seit zwei Jahren eine Empfehlung zu genderneutraler Sprache am Arbeitsplatz, die durch wiederholte Schulungen nachhaltig gefestigt wird.

Pride+ hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 eine LGBT*IQ-Quote von mindestens 4% unter seinen globalen Unternehmenspartner_innen zu erreichen. Diese Vision war ein entscheidender Faktor bei der Entscheidung für Pride+.

© PROUT AT WORK / Armin Morbach
MYSTORY mit …

Mano
Berlin

Ehrlich gesagt habe ich mich nie geoutet, weil ich mich nie verstecken musste.

Veröffentlicht: Oktober 2023

Es gibt viele Menschen und Ereignisse, die mich im Laufe meines Lebens geprägt, schockiert und inspiriert haben. Meine Eltern, meine Familie sind meine wichtigsten Vorbilder. Sie haben mir zentrale Eigenschaften und Kompetenzen wie Mut, Respekt und Demut vermittelt. Sie haben den Boden geschaffen, auf dem ich wachsen kann. Meine Eltern wussten sicherlich schon vor mir von meiner Homosexualität. Sie haben allerdings nie nachgefragt – aus Unsicherheit, Angst oder Respekt, ich weiß es nicht. Oder aus dem Grund, weil sie mich lieben. Ehrlich gesagt habe ich mich nie geoutet, weil ich mich nie verstecken musste.

Ich wusste schon sehr früh, dass ich anders bin – durch mein Aussehen, meine Herkunft und auch meine Beziehung zu Jungs.

Ich habe großes Glück, eine liebevolle und respektvolle Familie zu haben. Ich möchte anderen Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, Mut machen und Perspektiven aufzeigen.

Heute arbeite ich als Associate Project Director – Real World Evidence bei Parexel International GmbH. Wir ermöglichen Patient_innen mit schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen den Zugang zu nicht-zugelassenen Arzneimitteln, wenn keine vergleichbaren alternativen Behandlungsmöglichkeiten bestehen, und gewährleisten gleichzeitig eine bestmögliche medizinische Versorgung.

Ich identifiziere mich als queer und glaube, dass eine vielfältige, gerechte und inklusive Welt Fortschritt bedeutet, den Zugang zu besserer Gesundheitsversorgung erleichtert und die Rechte marginalisierter Gruppen stärkt.

Die meisten, wenn nicht alle klinischen Studien konzentrieren sich beim Testen von Arzneimitteln nur auf das binäre Geschlechtermodell, also Mann und Frau – aus Gründen der Sicherheit, Wirksamkeit und Dosierung. Wenn wir keine Informationen über die Geschlechtsidentität sammeln, bedeutet das, dass es möglicherweise einige Krankheiten, Zustände und Risikofaktoren gibt, die in unserer Gemeinschaft ein erhebliches Problem darstellen und uns nicht bekannt sind. Herkömmliche Untersuchungsverfahren, die Vorlagen für Protokolle und Einverständniserklärungen sowie die von uns gesammelten Daten sind oft so konzipiert, dass sie den spezifischen Bedürfnissen und demografischen Gegebenheiten der trans* Community nicht gerecht werden.

Unser Engagement für die Patient_innen muss uns dazu motivieren, einen vielfältigen Patient_innenpool zu erfassen, der unsere Gesellschaft repräsentiert. Wir sind dabei, Methoden, Trainings und Dokumente aufzusetzen, um die Aufnahme von LGBT*IQ-Patient_innen in klinische Arzneimittelstudien zu fördern. Wir müssen medizinisches Fachpersonal besser schulen, damit sie LGBT*IQ-Patient_innen, einschließlich trans* nicht nicht-binäre Menschen, motivieren, an klinischen Studien teilzunehmen.

Ich wünsche mir mehr gegenseitiges Vertrauen und Respekt von trans* und nicht-binären Personen und medizinischen Fachkräften im Rahmen der klinischen Forschung.

MANO, vielen Dank für YourStory!

X hat sich zu einer Plattform entwickelt, auf der rassistische, queer- und transfeindliche, antisemitische sowie andere menschenfeindliche Inhalte immer verbreiteter werden. Diese Inhalte werden nicht gelöscht oder strafrechtlich verfolgt. Stattdessen gelten seit der Übernahme von Elon Musk Wörter wie „cis“ oder „cisgender“ als Beleidigung.

Musk hatte Twitter im Oktober 2022 für 44 Milliarden US-Dollar gekauft und seitdem mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter_innen entlassen. Stattdessen führte er ein Abomodell ein, bei dem die Nutzer_innen das blaue Verifikationshäkchen gegen eine monatliche oder jährliche Zahlung erhalten. Dank diesem erreichen Profile, die diskriminierende Inhalte verbreiten, eine noch größere Reichweite.

PROUT AT WORK lehnt jegliche Form der Diskriminierung ab und setzt sich für LGBT*IQ-Chancengleichheit ein. Die Stiftung schafft inklusive Räume, in denen Diskriminierung und Vorurteile keinen Platz haben. Deshalb ist ein Verbleib auf X für PROUT AT WORK nicht mehr vertretbar.

Die PROUT AT WORK-Foundation schließt sich der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, dem Bundesverband trans*, der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität und vielen weiteren Vereinen und Organisationen an, um ein Zeichen gegen Hass und für Vielfalt zu setzen.

„Unser Ausstieg bei X ist ein klares Signal an die Öffentlichkeit, dass wir Hassrede nicht tolerieren. Wir wollen andere Organisationen dazu animieren, diesen Schritt auch zu gehen und ihre Präsenz bei X zu beenden“, so Albert Kehrer, Vorstand der PROUT AT WORK-Foundation. „Plattformen und soziale Medien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und effektive Maßnahmen ergreifen, um menschenfeindliche Äußerungen und Diskriminierung zu bekämpfen und marginalisierte Gruppen zu schützen.“

Interessierte finden PROUT AT WORK weiterhin auf den sozialen Netzwerken Instagram, Facebook und LinkedIn.   

Im Hintergrund ein Regenbogenfarbverlauf, davor der Text: 18. Oktober: International Pronouns Day! Stereotype abbauen – Vielfalt fördern! Jeden dritten Mittwoch im Oktober feiern wir den International Pronouns Day! Der Tag soll auf Personalpronomen aufmerksam machen, denn sie können helfen, stereotype, binäre Denkmuster aufzulösen. Im Deutschen gibt es für geschlechtsneutrale Pronomen verschiedene Optionen, wie z.B. dey/denen, oder es werden keine Pronomen und nur der Vorname verwendet.

Heute ist #InternationalPronounsDay! Dieser Tag findet jährlich am dritten Mittwoch im Oktober statt und widmet sich dem Thema Personalpronomen.

Insbesondere für Personen, die sich nicht als (strikt) männlich oder weiblich identifizieren, sondern zum Beispiel als genderfluid oder nichtbinär, können Pronomen wichtig sein, um ihre Geschlechtsidentität auszudrücken.

Das Aussehen einer Person sagt dabei nichts über die Pronomen aus, die diese Person verwendet. Deswegen ist es immer wichtig, nach den Pronomen zu fragen!

Viele LGBT*IQ-Personen nutzen Neopronomen, um sich von binärem Geschlechterdenken abzugrenzen und sich in ihrer Identität wohlzufühlen.

Die Mitnennung der eigenen Pronomen kann helfen, sich von stereotypen binären Denkmustern zu befreien und zur Sensibilisierung in unserer Gesellschaft beizutragen.  Nicht jede Person verwendet zwangsläufig die Pronomen „er“ oder „sie“, und es ist wichtig, diesen Menschen mit Respekt zu begegnen.

Eine Studie des Trevor Project bestätigt, dass nicht-binäre Jugendliche häufiger mit mentalen Problemen zu kämpfen haben als cis-Jugendliche.
Mit anderen Worten:
Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und aufmerksam zu sein, wie Menschen angesprochen werden wollen, kann Leben retten.

Pronomen im Arbeitskontext:

Das sichtbare Platzieren der eigenen Pronomen zeigt Unterstützung und hilft,  Missverständnisse zu vermeiden.

Platzieren der Pronomen…

  • … in der E-Mail-Signatur
  • … bei Microsoft Teams
  • … bei Zoom
  • … am physischen Schreibtisch durch Sticker oder Namensschild
  • … etc.
Geschlechtsneutrale Pronomen – Beispiele:

Dey/Denen

Dey telefoniert gerade.
Das ist deren Arbeitsplatz.
Die Präsentation wurde von denen erstellt.
Das Paket ist für dey.

Keine Pronomen

Anouk telefoniert gerade.
Das ist Anouks Arbeitsplatz.
Die Präsentation wurde von Anouk erstellt.
Das Paket ist für Anouk.

Xier/Xiem

Xier telefoniert gerade.
Das ist xies Arbeitsplatz.
Die Präsentation wurde von xiem erstellt.
Das Paket ist für xien.

Alex Gessner
© Alex Gessner
MYSTORY mit …

alex
34 Jahre, frankfurt

„Es waren schwarze trans* Frauen, die mich über die Geschichte
und Gegenwart unserer Community aufgeklärt haben, über das Privileg, in Europa queer zu sein, und über den langen Weg, den wir
noch zurücklegen müssen, um Die Diskriminierung zu beseitigen….“

Veröffentlicht: September 2023

Privilegien, Aufklärung & Coming Outs.

Es ist mir schwergefallen, mich hinzusetzen und diesen Artikel zu schreiben. Es fühlt sich oft so an, als hätte ich nichts Bedeutendes mitzuteilen,  wenn es um mein Coming-out geht. Es war einfach super ereignislos.  Das ist eine sehr privilegierte Position, die vielen Personen unserer Community verwehrt bleibt, die um ihre Sicherheit fürchten müssen, wenn sie sich outen. Ich wünsche mir, dass alle Menschen unserer LGBTQIA2S+-Community ein ereignisloses Coming-out haben und sich in Zukunft vielleicht gar nicht mehr zu outen brauchen.

Als ich 15 Jahre alt war, wurde mir klar, dass ich bi bin. Ich interessierte mich mehr für Xena, die Kriegerprinzessin, und ihre „Freundschaft“mit Gabrielle als für das, was heterosexuelle Mädchen in meinem Alter eigentlich interessieren sollte. Ich fühlte mich zu Männern und Frauen hingezogen und wusste damals noch nicht, dass es noch so viel mehr wunderschöne Geschlechtsidentitäten gibt.

Meine Pubertät war gefüllt mit Schmerz, Unwissenheit und Trauer.

Ich fühle mich nicht nur zu einem Geschlecht hingezogen. Ich wusste es nur nicht, weil es 2003 nicht viele queere Darstellungen gab. 2004 kam The L Word heraus, und obwohl es damals schon sehr schwierige Stories gab, insgesamt nicht gut gealtert ist und kein gutes Beispiel für einen intersektionalen Ansatz ist, hat es damals meine Welt verändert, ebenso wie der L Word-Podcast.

Ich habe es meiner Mutter ziemlich früh und es war keine große Sache. Hauptsächlich, weil sie super tolerant ist, aber auch, weil es sich wahrscheinlich nicht echt angefühlt hat. Eine feste Freundin habe ich nie mit nach Hause gebracht.

Aber ich muss mir Sorgen über ihre Reaktion gemacht haben, denn meine erste Freundin habe ich geheim gehalten. Ich glaube, das lag nicht nur an ihrem Geschlecht, sondern auch daran, dass wir uns online kennengelernt hatten, uns nicht persönlich begegnet waren, weil ein Ozean zwischen uns lag, und ich die ganze Situation mit Scham verband. Ich war 19 und verließ Deutschland, um mit meiner kanadischen Freundin in Brighton, dem queeren Hotspot in Europa, zusammenzuziehen. Wir trennten uns nach 6 Monaten, und ich glaube bis heute, die meisten Personen in meiner Familie und von meinen Freund_innen hielten sie für eine Mitbewohnerin. Meine nächste Beziehung war mit einem Mann. Da war kein Coming-out nötig, jeder kannte ihn als meinen Freund.

Die queere Community blieb ein fester Bestandteil in meinem Leben. Die meisten meiner Freund_innen und Mitbewohner_innen waren queer, ich hatte mich in die Drag-Kunst verliebt und ging zu jeder Show, die ich besuchen konnte. Ich verdanke der Community viel; sie hat mir geholfen, das zu überwinden, was mich davon abhielt, mein eigenes Queersein zu normalisieren, während ich das aller anderen feierte. Sie haben mir gezeigt, wie ich mich selbst akzeptieren kann, wie ich für meine Gemeinschaft kämpfen kann, wie ich in einer Welt existieren kann, die davon ausgeht, dass jede_r heterosexuell ist. Es waren schwarze trans* Frauen, die mich über die Geschichte und Gegenwart unserer Community aufgeklärt haben, über das Privileg, in Europa, in einer queeren Stadt, queer zu sein, und über den langen Weg, den wir noch zurücklegen müssen, um die Diskriminierung ALLER wunderbaren Personen unserer Community zu beseitigen, die Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind, nur weil sie das Leben leben, für das sie geboren wurden. Ich war eine ignorante 20-Jährige und wurde durch ihre Freundlichkeit und ihre Kämpfe aufgeklärt. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich selbst weitergebildet habe – das habe ich in späteren Jahren auch getan -, aber diese anfängliche Aufklärung wurde von den Menschen geleistet, die in unserer Gesellschaft am meisten marginalisiert sind, und ich verdanke ihnen so viel. Ich wurde Aktivistin für die Rechte von queeren Menschen und Frauen und lerne bis zum heutigen Tag weiter. Obwohl noch ein langer Weg vor uns liegt, ist eine der größten Errungenschaften unserer Gemeinschaft für mich: Eine ältere (sie hat mir erlaubt, das zu sagen) trans* Frau sagte letztes Jahr zu mir: „Endlich können trans* Menschen eine Zukunft haben! Als ich aufwuchs, gab es einfach keine Repräsentation und nur die Gefahr, jung zu sterben. Ich wusste nicht, dass ich glücklich werden würde; das war einfach nicht drin. Heute können trans* Kinder eine Zukunft sehen; wir haben trans* Schauspieler_innen, Sportler_innen, Politiker_innen, gewöhnliche Paare, die glücklich sind.“ Dennoch sind wir uns beide einig, dass noch viel getan werden muss, um eine sichere Zukunft für trans* Kinder und Erwachsene zu gewährleisten.

Meine Frau lernte ich 2012 kennen. Wir waren zunächst Kolleginnen und dann jahrelang eng befreundet, bevor sich unsere Freundschaft in Liebe verwandelte. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass zwei Frauen, die nicht verheiratet sind und miteinander abhängen, eine Affäre haben müssenZumindest war das das Gerücht auf der Arbeit, lange bevor wir romantische Gefühle füreinander entwickelten. Ich erinnere mich, als wir ins Kino gingen, war das in der Arbeit eine ganze Woche lang ein heißes Thema. Manchmal erreichten mich Gerüchte, dass wir bei verdächtigen Dingen wie Kaffeetrinken gesichtet worden waren, und manchmal waren diese Gerüchte  frei erfunden.

Die Leute redeten über unsere Beziehung, lange bevor wir eine Beziehung miteinander hatten, und als wir anfingen, uns zu treffen, erzählten wir es niemandem außer zwei Freund_innen auf der Arbeit. Wir waren  einfach.

Dasselbe galt für meine Mutter. Sie hat sofort gemerkt, dass wir zusammen sind, und das war’s. Ich bin einfach durch die Welt gelaufen und habe die Tatsache, dass ich eine Freundin hatte, die dann meine Frau wurde, als normal angesehen, und die meisten Leute haben auch so reagiert. Ich hatte das Privileg, in einem Unternehmen zu arbeiten, das auf Vielfalt achtete, als ich mich in sie verliebte, und als ich das Unternehmen wechselte, war ich in einer so hohen Position, dass sich die Leute nicht trauten, mir etwas Homophobes ins Gesicht zu sagen. Ich bin aber nicht ignorant; ich weiß, dass es hinter meinem Rücken passiert ist. Ich weiß, dass es auch anderen passiert, und ich weiß, dass Homophobie am Arbeitsplatz und in unserer Gesellschaft immer noch weit verbreitet ist. Nach Jahren bemerkenswerter Fortschritte bei den Rechten von queeren Menschen (bei denen es sich im Grunde um Menschenrechte handelt) sehen wir uns mit einem historischen Rückschlag konfrontiert, der die hart erkämpften Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder zunichtezumachen droht, nicht nur in Bezug auf den rechtlichen Schutz, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Und das Paradoxe kommt jetzt: Manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu „langweilig“ für jemand Queeres bin.

Das ist es. Mein Coming Out ist keine besonders interessante Geschichte. Vieles von dem, was interessant ist, steht zwischen den Zeilen: über Dinge, die ich verinnerlicht hatte,  die ich wieder verlernen musste, und über Dinge, bei denen ich komplett und völlig falsch lag. Zum Beispiel, als ich annahm, dass meine bis dahin 100-prozentig heterosexuelle Freundin „uns“ nur als Experiment betrachten würde, dass sie ihrer Familie nie von uns erzählen würde, dass diese neue Erfahrung ihr Selbstbild so erschüttern würde, dass sie davonlaufen würde. Oder dass es ihr schwerfallen würde, sich an eine Beziehung zu gewöhnen, nachdem sie 16 Jahre lang Single war, und dass sie nicht in der Lage sein würde, Platz für mich zu schaffen. Dass es nicht von Dauer sein würde.

Im Juli 2023 sind wir seit 100 Monaten zusammen, seit 4 Jahren verheiratet. Sie weiß immer noch nicht, wie man die Spülmaschine wie ein normaler Mensch einräumt, aber abgesehen davon geht es uns gut.

Die Angriffe auf unsere Community nehmen auf globaler Ebene zu. Es reicht nicht aus, nur die wenigen Rechte und die begrenzte Akzeptanz zu feiern, die Schwule, Lesben und Bisexuelle erreicht haben. Die TIN*-Gemeinschaft ist weit davon entfernt, die gleichen Rechte und die gleiche Akzeptanz zu erfahren. Wir müssen weiterkämpfen, bis die Diskriminierung von queeren BIPOC, queeren Menschen mit Behinderungen, LGBTQIA2S+ Migrant_innen und insbesondere die Diskriminierung gegenüber trans* und nicht-binären Personen beseitigt ist. Wir dürfen uns nicht mit bloßer Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zufriedengeben. Die Gesellschaft ist sich unserer bewusst; was wir brauchen, ist gleicher Schutz, Respekt und Chancen, die allen Menschen in unserer globalen Gemeinschaft zuteilwerden sollten.

(Anmerkung: *TIN bezieht sich auf die Trans*, Inter* und nicht-binäre Personen)

Liebe Alex, vielen Dank für YourStory!