Am19. Oktober ist International Pronouns Day!

Individuelle Pronomen hängen stark mit der Identität und Selbstbestimmung eines Menschen zusammen, und machen viel von der Identität des Jeweiligen aus.

Insbesondere bei Personen, die sich nicht als strikt männlich/weiblich identifizieren, sondern zum Beispiel als genderfluid oder nichtbinär, können Pronomen wichtig sein um ihre Geschlechteridentität auszudrücken und nicht nach dem Aussehen bewertet, oder als das falsche Geschlecht gelesen zu werden.

Oft benutzen diese Neopronomen wie dem/dem, oder aber auch keine Pronomen, sondern nur den Namen.

Pronomen können helfen, von stereotypischen Denkmustern wie nur „er“ oder „sie“ Pronomen zu befreien und Vielfalt zu schaffen.

Viele LGBT*IQ-Personen nutzen Pronomen, um sich von binärem Geschlechterdenken abzugrenzen und sich in ihrer Identität wohlzufühlen.

MYSTORY mit …

VICKY
33 Jahre, München

„Über die Jahre wurde Drag ein immer größerer
Teil von mir, der für mich nicht nur eine Kunstform
darstellt, sondern auch die spielerische
Konfrontation mit meiner Persönlichkeit zulässt. …“

Veröffentlicht: Oktober 2022

(M)eine reise in drag.

Vicky Voyage ist immer eine Reise wert.

Mit meiner Drag Persönlichkeit Vicky Voyage nehme ich euch mit auf eine abwechslungsreiche Spritztour in die Welt der Drag-Kunst. Mit Charisma und Witz präsentiere ich als internationale Performerin, Moderatorin und Unterhalterin durchdachte und clevere Konzepte mit extravaganten Outfits und starkem Make-Up. Ich serviere auf meinen Stopps verschiedensten Augenschmaus: Unter anderem war ich als fulminante Feuerfee (CSD München 2018), als schillernder Schmetterling (CSD München und Wien 2019), sagenumwobene Schneekönigin (Drag Voyage Kalenderprojekt 2022) und auch als liebevolle Lokalmatadorin im Dirndl (auf verschiedenen Events) unterwegs. Auf Galas und Parties, in Shows und im Theater: Mit Pole Dance, einem Hauch von Akrobatik oder auch nur mit meiner prallen Präsenz lade ich das Publikum zum Staunen ein.

Über die Jahre wurde Drag ein immer größerer Teil von mir, der für mich nicht nur eine Kunstform darstellt, sondern auch die spielerische Konfrontation mit meiner Persönlichkeit zulässt.

Nachdem die Pandemie – nach vielen verschiedenen Veranstaltungen – die Welt schließlich nahezu zum Erliegen brachte, kam mir, während der Lockdown-Phase, die Idee zum ersten professionellen Drag Kalender Deutschlands. Auftritte waren nicht möglich, Projekte fielen weg – ein neues musste her. Da sich die Drag Szene auch in Deutschland weiterentwickelt hat, wollte ich mit dem Kalender gerne einen kleinen Einblick in die Facetten verschiedener Charaktere geben und euch zusammen mit anderen Künstler:innen mit auf meine Reise durch die wunderbare Welt des Drag nehmen. Entdeckt mit mir fabulöse Kings & Queens aus München und Augsburg und wie sie mit diverserer und kunterbunter Kunst spielen, immer geleitet von der Frage: Was bedeutet Drag für die Künstler:innen, was bedeutet es für dich?

Mit dem Bild, das ihr seht, das Motiv für den Dezember 2022, wollte ich etwas ganz bestimmtes ausdrücken. Mein Thema war:

#legendary: I write my own story and walk my own path – preferably in high heels.

Angelehnt an Aschenputtel soll das Bild verdeutlichen, dass ich nicht auf meinen Prinzen warten muss, bis ich ein erfülltes Leben haben kann, sondern dass ich als starke Persönlichkeit meinen eigenen Weg wählen und gestalten sowie dabei für mein eigenes Glück verantwortlich sein kann.

Für den Verkauf des Kalenders habe ich nicht nur meinen eigenen Webshop eingerichtet, sondern habe mit verschiedenen Händler:innen zusammengearbeitet, die in ganz Deutschland und auch in Österreich und der Schweiz den Kalender vertrieben haben. Obwohl das Produkt „Kalender“ im Jahr 2022 nicht mehr in jedem Haushalt zu finden ist und die Drag-Motive nicht alle Menschen gleichermaßen anspricht, wurde der Kalender mit unseren persönlichen und ausdrucksstarken Bildern quer durch die Gesellschaft gut angenommen. Es wurden fast alle 1.000 Exemplare verkauft oder sozialen Projekten gewidmet. Es waren tolle neue Erfahrungen und das ganze Team kann stolz auf das Ergebnis sein. Hier nochmals ein herzliches Dankeschön an alle, die so motiviert mitgewirkt und zum erfolgreichen Endergebnis beigetragen haben.

Da ich hoffe, dass sich die Corona-Situation bessert und wieder mehr Möglichkeiten zugelassen werden, widme ich mich 2022 und auch den nächsten Jahren als Unterhalterin, Moderatorin, Performerin oder auch Organisatorin wieder verstärkt Events, da darf zum Beispiel der CSD in München nicht fehlen oder auch eine Drag Show in meiner Allgäuer Heimat, die für 2023 geplant ist.

Zudem will ich zukünftig gerne versuchen, meinen Ingenieurwesen-Hintergrund verstärkt mit meiner Kunst zu verbinden, denn die Reise von Vicky Voyage ist noch lange nicht zu Ende.

Liebe VICKY, vielen Dank für YourStory!

Kampagne: #BiVisible
zum diesjährigen Bi+ Visibility Day

Das Ziel der Kampagne ist, bisexuelle Menschen zu stärken und gemeinsam durch eine große Anzahl an Teilnehmer_innen Sichtbarkeit zu schaffen sowie die Vielfalt bisexueller Personen zu verdeutlichen.

Als bisexuell verstehen wir alle Menschen, die romantische und/oder sexuelle Beziehungen nicht ausschließlich zu Menschen eines bestimmten Geschlechts führen.

Die Kampagne wurde gemeinsam von der PROUT AT WORK-Foundation und Accenture initiiert.

#BiVisible – Bi+ Visibility Day 2022

Der Bi+ Visibility Day wird seit 1999 jährlich am 23. September gefeiert um auf die komplexen Lebenswirklichkeiten bisexueller Menschen aufmerksam zu machen. Im Rahmen dieses Tages haben wir bisexuelle Personen gefragt, wie sie (ihre eigene) Bisexualität erleben und was sie sich im Bezug darauf wünschen. Ihre Antworten haben wir hier für Sie zusammengetragen:

Sarah Schiller (sie / ihr), Head of Trial Molds Replacement – R&D Tires, Continental

Wie erlebst Du das Thema Bisexualität auf der Arbeit aktuell?

In der Ingenieurswelt erlebe ich vorallem heterosexuelle Männer, die zwar irgendwann homoerotische Erfahrungen gemacht haben, sich aber von bi+ oder homo+ distanzieren. Bi+ passt anscheinend nicht so recht in die Vorstellungswelt der Kolleg*innen. Bi+ wird hier auch oft mit Promiskuität oder mangelnder Entscheidungskraft in Verbindung gebracht.

Wie möchtest Du als bisexueller Mensch gesehen werden?

Zuschreibungen, die auf Vorurteilen basieren, empfinde ich als ungerecht. So bin ich zum Beispiel aus eigener Entscheidung monogam, habe also „trotz“ bi+ normalerweise eine Beziehung zu genau einer Person. Da möchte ich keine Wertung poly/mono verstanden wissen; alle sollen nach ihrer Facon glücklich werden. Mir ist vor allem wichtig, dass ich gesehen werde, wie ich bin.

Wie kann das Thema auf der Arbeit vorangetrieben werden?

Awareness ist hier wie für die meisten LGBTQIA Themen der Schlüssel, um mit Vorurteilen aufzuräumen, und um unreflektierte Verletzungen in Zukunft zu vermeiden. Deswegen sind Visibility Kampagnen wie der Bi+ Visibility Day so wichtig!

Wie erlebst Du das Thema Bisexualität auf der Arbeit aktuell?

Ich bin Solo Mutter und bisexuell. Ich werde erstmal nicht als bisexuell oder als Teil der LGBT* Community wahrgenommen, da ich ein Kind aus einer Beziehung mit einem Mann habe. Wenn ich Kollegen erzähle, dass ich aktiv in der LGBT* Community der Firma bin, sind sie erstmal verwirrt. Wenn ich mich dann als bisexuell oute, sind die Reaktionen aber bisher meist neutral. Ich habe allerdings auch schon erlebt, dass eine lesbische Kollegin im Rahmen eines LGBT Treffens der Firma das Interesse in dem Austausch mit mir plötzlich sehr offensichtlich verlor, als ich ihr sagte, ich bin bisexuell. Dass selbst die LGBT* Community bisexuelle Leute nicht ernst nimmt ist leider oft Realität. Ich habe auch schon Sprüche gehört wie „als du lesbisch warst“ oder „als du in dem anderen Team gespielt hast“ und so fühlt man sich als bisexueller Mensch nicht verstanden. Auch wenn die Reaktionen neutral sind, bin ich mir also nicht sicher, was die Kollegen darüber denken und was für Vorurteile sie haben. Mir ist aber wichtig, mich outen zu können, denn meine Bisexualität macht viel von meiner Geschichte und von mir selbst aus.

Wie möchtest Du als bisexueller Mensch gesehen werden?

Ich verliebe mich in einen Menschen. Unabhängig von dem Geschlecht. Bisexualität ist für mich keine Phase, ich bin nicht verwirrt, ich weiß ganz genau was ich für mich in einer Beziehung wünsche. Der Weg dorthin war dennoch nicht einfach für mich, denn ich dachte selbst lange Zeit, ich muss mich „für eine Seite“ entscheiden und outete mich als lesbisch. Irgendwann musste ich mich nochmal outen, diesmal als bisexuell, als ich verstand dass ich mich auch in Männer verlieben kann und das ok ist. Meine nicht-binäre sexuelle Orientierung wurde lang nicht aufgenommen. Das macht einfach meine Geschichte und meine Erfahrungen aus.

Wie kann das Thema auf der Arbeit vorangetrieben werden?

Dem Thema Bisexualität Raum geben, wenn man in der Firma über die LGBT* Community spricht (Vorträge, Diversity & Inclusion).

Rafaella Fabris (sie / ihr), Quality Manager, Infineon Technologies
Frank thies (er/ihm), Verbeamteter lehrer, diversitätsbeauftragter

Wie erlebst Du das Thema Bisexualität auf der Arbeit aktuell?

Ich bin an meiner Schule nicht nur Lehrer, der sich schon seit Langem für Vielfalt einsetzt, sondern auch Diversitätsbeauftragter, der berät und einige Projekte in Gang bringt. Ich bin als bisexuell geoutet. Kolleg*innen haben mich auf Zeitungsinterviews angesprochen und gratuliert. Sie finden das gut. Mittlerweile erlebe ich auch, dass sich immer mehr Schüler*innen outen – vor allem als bisexuell, non-binary oder trans*. Schwule und bisexuelle Jungs sind da aber eher zurückhaltend. Wir hissen zum 23.9. auch die Bi-Flagge an der Schule.

Wie möchtest Du als bisexueller Mensch gesehen werden?

Grundsätzlich ist natürlich meine Bisexualität nur eine Eigenschaft unter vielen bei mir. Ich bin auch noch kreativ, zuverlässig, empathisch, oft ungeduldig, albern, liebe Brett- und Kartenspiele, Fantasy, Schreiben und Yoga. Aber Sichtbarkeit spielt schon eine Riesenrolle für Bi+sexuelle, weil sie eben immer wieder übersehen oder sogar aktiv unsichtbar gemacht werden. Ich finde, Bisexualität ist eine Bereicherung, deswegen möchte ich, dass das als eine schöne Seite gesehen wird.

Wie kann das Thema auf der Arbeit vorangetrieben werden?

Durch Vielfalts- und Diversity-AGs, durch Bi-Flaggenhissungen, durch eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen sich in Menschen verlieben können, und das kann auch abwechselnd verschiedene Geschlechter sein. Und es können auch mehrere Menschen gleichzeitig sein. Durch Unterstützen des Bi+Prides. Teilnahme bei #TeachOut (falls man etwas mit Bildung zu tun hat). Ein eigenes Coming-out macht anderen Mut, daher wenn man einen guten Stand auf der Arbeit ist, beliebt ist und/oder mutig – worauf wartest Du? Wenn nicht für Dich – dann für andere!

PANELGEsPRÄCH ZUM BI+ VISIBILITY DAY

Neben der Bi+ Hashtag Kampagne wird am 23. September ebenfalls eine Paneldiskussion stattfinden. Bei dieser sprechen wir mit bi_sexuellen Personen über die (Un)Sichtbarkeit von Bisexualität in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz, Biases und was jede_r einzelne machen kann, um zu einem besseren, offeneren Umfeld für Bi+ Menschen beizutragen. #WeAreFamily

Die Paneldiskussion ist für alle Interessierte kostenlos und findet von 17:00 bis 18:30 Uhr statt.

Tipps für Bisexuelle Personen

Ein bisexuelles Coming Out kann auch heute immer noch mit Schwierigkeiten und Diskriminierungserfahrungen verbunden sein. Wenn es Ihnen hilft,

  • Suche Dir Verbündete / Role Models im Unternehmen.
  • Vernetze Dich mit dem LGBT*IQ-Netzwerk.
  • Such Dir Unterstützung im Umgang mit unpassenden Kommentaren oder diskriminierendem Verhalten.
  • Denk immer daran: Du bestimmst den Zeitpunkt und die Art Deines Coming Outs.

Tipps Für Unternehmen

  • Für Unconscious Bias sensibilisieren
  • Klare Anforderungsprofile schaffen
  • Einstellungsverfahren anonymisieren
  • Aufbau / Stärkung des internen LGBT*IQ-Netzwerks

TIpps für Allies

  • Informiert Euch über bisexuelle Themen.
  • Nutzt eine genderinklusive Sprache.
  • Fetischisiert keine bisexuellen Beziehungen.
  • Setzt Euch für die Rechte und gegen die Diskriminierung von bisexuellen Personen ein. Unterstützt beispielsweise die Aktion nodoption, die sich gegen die Stiefkindadoption bei Regenbogenfamilien und für die Anerkennung der Elternschaft einsetzt.

Mehr über Bisexualität und den Bi+ Visibility Day

Bi+Pride
Bi Berlin
Queer Lexikon

Beratungsstellen

LIBS – Lesben Informations- und Beratungsstelle e.V.

LIBS e.V. ist psychosoziale Beratungsstelle und gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, den Ursachen und Folgen gesellschaftlicher Diskriminierung von lesbischen und bisexuellen Mädchen und Frauen entgegenzuwirken – sei es aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung.

Regenbogenfamilien München

Die Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien setzt sich dafür ein, gesellschaftliche Bedingungen, die Regenbogenfamilien aller Farben benachteiligt, totschweigt oder unsichtbar hält, zu verändern und zu verbessern.

Rosa Strippe

Der gemeinnützige Verein Rosa Strippe befasst sich mit den individuellen und gesellschaftlichen Problemen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* Personen und intersexuellen Menschen und leistet ihnen Hilfestellungen zur Lösung ihrer Probleme.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen in unserer Geschäftsstelle zur Verfügung.

BUNDESFREIWILLIGENDIENST BEI PROUT AT WORK

„Sichtbarkeit am Arbeitsplatz für jegliche Personen der LGBT*IQ Community zu schaffen und diese zu unterstützen, war mir besonders wichtig während meiner Zeit bei PROUT AT WORK.“

Ich startete meinen jetzigen Bundesfreiwilligendienst im August 2021, während ich auf der Suche nach meinem weiteren Weg in der Berufswelt war.

Mir war es wichtig, in dieser Phase der Selbstfindung einen Zweck zu unterstützen, hinter dem ich zu 100% stehe und in dem ich Leidenschaft sehe. Das habe ich bei PROUT AT WORK gefunden.

Warum LGBT*IQ?

In meinem bisherigen Alltag hörte ich immer wieder von LGBT*IQ-Personen, trotzdem wurde es nie konkret im Unterricht behandelt oder war allgemein Thema in der Schulklasse. Eher im Gegenteil: Oft genug hörte ich von Mitschüler_innen Wörter wie „schwul“ oder „Lesbe“ als Beleidigung. Meist ohne das Wissen, welche Auswirkung solche negativen Aussagen auf die entsprechenden Personen haben. Ich erweiterte selbst meinen Horizont, indem ich im Internet auf diversen Seiten queere Beiträge las, mit Personen der Community Kontakt aufnahm und mich intensiv mit meiner eigenen Sexualität auseinandersetzte.

Diese Auseinandersetzung führte dazu, Sichtbarkeit für Personen und Themen der LGBT*IQ Community zu schaffen, da diese oftmals in Vergessenheit geraten. Seitdem ich offen mit meiner eigenen Sexualität umgehe, hatte ich glücklicherweise überwiegend positive Erfahrungen, dennoch ist das leider immer noch nicht die Norm. Sowohl im Alltag als auch am Arbeitsplatz sollte man die Möglichkeit haben komplett „Ich“ zu sein, ohne Angst vor Diskriminierung und Chancenungleichheit.

Inwiefern bereichert mich der Bundesfreiwilligendienst bei PROUT AT WORK?

Die Arbeit im Team ist jeden Tag aufs Neue spannend und der Arbeitsalltag macht dadurch umso mehr Spaß. Direkt an meinem ersten Tag wurde ich warmherzig in das PROUT AT WORK-Team aufgenommen und hatte die Möglichkeit viele meiner Kolleg_innen bei der Arbeit zu begleiten. Dabei wurde ich in den Bereich Social Media eingearbeitet und durfte mich sowohl visuell als auch schriftlich kreativ ausleben. Durch die Arbeit mit den Social-Media-Kanälen habe ich mein Interesse an sozialen Medien entdeckt und es war einer meiner liebsten Aufgaben bei der Arbeit. Außerdem erhielt ich viele Einblicke im Bereich der Eventorganisation durch die LGBT*IQ-Awards, TOGATHERINGs sowie die PROUT AT WORK-Konferenz. Dabei lernte ich viel über den Kontakt mit Netzwerken und Speaker_innen und das Bewerben dieser Veranstaltungen. Zusätzlich hatte ich die Chance bei den PROUT PERFOMER-Listen 2022 zu unterstützen und erweiterte mein Wissen rund um LGBT*IQ-Themen während den zahlreichen Lunch Talks mit den Listenplatzierten.

Im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes hatten wir auch die Möglichkeit eigene Projekte als kleines Team zu verwirklichen. Dabei entstand das Projekt MyStory, ein Format, mit dem inspirierende Geschichten von LGBT*IQ-Personen veröffentlicht werden. Außerdem arbeiteten wir an einem Kartenspiel mit Fragen zum Nachdenken und Austauschen rund um das Thema LGBT*IQ Diversity. Darüber hinaus erarbeiteten wir zusammen die wöchentlichen Empfehlungen aus diversen Medien auf allen Social-Media-Kanälen um die Repräsentation des LGBT*IQ-Regenbogens in Ton, Schrift und Film sichtbar zu machen.

Mein Fazit:

Während meines Bundesfreiwilligendienstes bei PROUT AT WORK habe ich viele Erfahrungen gesammelt und bin dankbar für die Chance, mehr über die verschiedene Bereiche des LGBT*IQ Spektrums und der Arbeitswelt kennengelernt zu haben. Dabei lernte ich zusätzlich aus mir selbst herauszukommen, mein Selbstbewusstsein zu steigern und wie wichtig ein entspanntes Team und flache Hierarchien für mich sind. Es hat riesigen Spaß gemacht, in verschiedenen Arbeitsbereichen wie dem Social Media-und Veranstaltungsmanagement Erfahrungen zu sammeln und sich dabei für LGBT*IQ-Chancengleichheit am Arbeitsplatz einzusetzen.

Nachdem Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, vergangenes Jahr den PRIDE DAY GERMANY mit einer Videobotschaft unterstützte, freuen wir uns sehr, dass er in diesem Jahr die Schirmherrschaft für den unternehmensübergreifenden Aktionstag übernimmt!

Wir freuen uns riesig, auch dieses Jahr zum PRIDE DAY GERMANY 2022 eine Videobotschaft des Bundesministers teilen zu dürfen.

MYSTORY mit …

Bakry
42 Jahre, Berlin

„Jede erlebte Diskriminierung in einem
bestimmten Kulturkreis ermöglichte es meinem
Verstand, mich gegen Unterdrückungen und
Mikroaggressionen anderer sozialen Gruppen zu wappnen. …“

Veröffentlicht: Juni 2022

Verwobene Identitäten.

Ich bin Mischling, Cis-Mann, mittleren Alters, homosexuell, ohne bisher festgestellte Behinderung, Franzose, kein deutscher Muttersprachler (der akzent- und fehlerfrei Deutsch spricht), aus dem Proletariat kommend, der einen Bildungsaufstieg erlebt hat. Ich bin das alles und sogar noch viel mehr.

Das Coming Out ist mir fremd, würde ich sagen. Als ich ungefähr 18 war, arbeitete ich für das Hotel Central, eines der ersten gay Etablissements aus den 80ern in Paris. Nach meiner ersten Schicht erzählte ich meiner Mutter meine ersten Eindrücke über diesen LGBT*IQ-Ort. Sie fragte mich, ob alle meine Kollegen gay seien. Meine Antwort lautete ja. Anschließend fragte sie mich, ob ich selbst schwul sei. Meine Antwort lautete ja. Das war es, meine bedeutungslose kräftige Aussage über meine sexuelle Identität. Alles in allem war es eine paradoxale insignifikante Erfahrung für einen Gay- PoC aus einem proletarischen Migrantenviertel, Ende der 90er. Ich hatte nie das Bedürfnis oder den Zwang, mich zu erklären. Ich war „openly gay“ wie einen Cis-heterosexueller Mann „openly straight“ sein könnte: ereignislos. Einige Monate später, als ich zu meinem ersten Freund umzog, kam regelmäßig mein jüngster Bruder zu Besuch, um mit meinem Freund Videogames zu spielen. Das Leben eben.

Hingegen habe ich mehrmals intersektionale Queer Awakenings erlebt, die ich im Nachhinein begriffen habe. Nach der Lektüre von „Die Rückkehr nach Reims“ von Didier Eribon ist mir bewusst geworden, dass mein Ich-Schwul-Sein eine Rolle in meinem Bestreben, etwas anderes zu werden als das, wozu mich der Determinismus der sozialen Reproduktion trieb, gespielt hat. Tatsächlich fühlte ich mich hingezogen, andere Sphären zu betreten, um meinesgleichen zu begegnen.

Ich verspürte die Notwendigkeit, die widersprüchliche Vielfalt meiner verwobenen Identitäten zu verstehen und sie miteinander in Einklang zu bringen. Das war sinnlos.

Damals, weder in der Gay-Szene noch in anderen subkulturellen Räumen, konnte ich ein Gefühl von kompletter Zugehörigkeit spüren. Egal in welchen sozialen Gruppen ich mich befand, tauchten ausnahmenlos Unterdrückungsmechanismen auf. Es gab kein meinesgleichen, sondern das ewige Ballett von Zuschreibungen und Selbstbestimmungen. Immer wieder beobachtete ich, wie sich die sozialen Interaktionen in binären sozialen Gegensätzen neu definieren ließen. Allerdings: Jede erlebte Diskriminierung in einem bestimmten Kulturkreis ermöglichte es meinem Verstand, mich gegen Unterdrückungen und Mikroaggressionen anderer sozialen Gruppen zu wappnen.

Nehmen wir das Beispiel der Sprache, die über ihre kommunikative Funktion hinaus auch ein strukturierendes Element der Kultur ist. In der Tat kann sie ein Instrument der Stigmatisierung oder eine Zuweisung für soziales Prestiges sein. So half mir die Verve der jugendlich ätzenden Gossensprache der multikulturellen urbanen Welt meines Quartiers, Barbès, sowohl die (un)bewusst rassistisch geprägten Sprüche als auch die ironisch ausgrenzende Schlagfertigkeit der dominierenden weißen Männer der Queer-Community abzuwehren. So half mir der schamlose schwarze Humor der Queer-Szene, mich von meiner Scham über meine proletarische Sprache zu befreien. So half mir die schamlose Kühnheit der Sprache meiner Klasse, fremde Sprachen schamlos mit Akzent und Fehlern zu sprechen. Alle diesen Facetten meiner Identität unterstützen mich bei der Navigation in einer Gesellschaft, deren Normen und Abweichungen ständig verhandelt werden. Man könnte diese Anpassungsfähigkeit als Verstellung wahrnehmen, aber ich würde es als soziale Performativität der Vielfältigkeit eines Individuums bezeichnen.

Mittlerweile war meine PoC-Queer-Identität ein Vorteil bei meiner D&I-Beratungsarbeit mit der Agentur Ozecla in Frankreich, um Unterdrückungsmechanismen und die verzerrenden Filter der Menschen zu dekonstruieren.

Es kam häufig vor, dass in weißen feministischen Milieus die Wechselhaftigkeit der sozialen asymmetrischen Dynamiken in Bezug auf die Verteilung der Machtverhältnisse aufzuklären war. Insofern, als das weiße Frauen darauf hinzuweisen waren, dass sie gegenüber einem Queer schwarzen Mann aufgrund ihrer dominierenden weißen heteronormativen-cisgender Identitäten Unterdrückungsformen ausüben könnten.

Es erfordert viel Resilienz von mir, die Abwehrmechanismen einer unterdrückten Gruppe zu ertragen, wenn ich sie über ihre eigenen Unterdrückungsmechanismen aufkläre. Dieses Phänomen begegnet mir immer wieder in den letzten Jahren auch in Deutschland – sowohl bei meiner D&I-Arbeit in der Queer-Community als auch während meines Engagements in meiner Hauptbeschäftigung. Es ist eine belastende Herausforderung, die gesellschaftlichen Mechanismen von Rassismus, Queer-Feindlichkeit und Sexismus aufzudecken und zu denunzieren. Aber als schwarzer Queer-Mann mit intersektionalen Ansichten kann ich nicht anders.

Lieber Bakry, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …

Albert
51 Jahre, München

„Ich gehe jeden Tag in die Arbeit und
kann sagen „I am what I am“! …

Veröffentlicht: Mai 2022

Die Wanderung.

Ich erinnere mich noch gut an meine Schulzeit. Ich wuchs in einem sehr katholischen Umfeld auf. Katholische Klosterschule. Frühe 80er Jahre. In der 7. und 8. Klasse, die Pubertät in vollem Gange. Gleichzeitig war HIV/Aids ganz groß in den Schlagzeilen. Alles, was man damals wusste, war, dass man daran stirbt. Und so wurde ich geprägt – es gab ein Richtig und ein Falsch. Schwul = AIDS = falsch.

Erst viel später hat sich bei mir herauskristallisiert, dass ich schwul bin. Mein Coming Out hatte ich erst während meines Studiums. Nach dem Vorstudium ging ich für einen Masterstudiengang nach Wales. Welch gute Gelegenheit, auch meine sexuelle Orientierung zu entdecken. In diesem Findungsprozess musste ich gleich erleben, wie ein junger Schwuler durch den Ort gehetzt wurde. Schon wieder wurde in mir eingebrannt: schwul = falsch.

Aber, ich habe mich getraut. In London dann, nach meinem Studium, erlebte ich eine weltoffene Stadt, mit schwulen Bars, die Schaufensterscheiben hatten. Jeder konnte reinsehen. Was für ein befreiendes Gefühl. Zurück in meiner Heimatstadt Augsburg erlebte ich dann eine komplett andere Szene: Ich musste klingeln, um eingelassen zu werden. Die Fenster waren verklebt, damit uns keiner sieht.

Aber ich ließ mich jetzt nicht mehr unterkriegen, denn ich kannte ja London. Nahm am allerersten CSD in Augsburg teil und fühlte mich neben 20 anderen Personen superstolz.

Mein Berufsleben begann mit den üblichen „cost of thinking twice“. Damals war mir das noch nicht bewusst, denn meine gelernte Formel war ja „schwul = falsch“, also warum davon in der Arbeit erzählen. Ich war halt mit einem Freund oder mit Freunden unterwegs, mehr privates gab es von mir nicht. Bis mir ein Freund auf einer Wanderung mit dem Gay Outdoor Club erzählte, dass er bei BCG komplett out ist, dass sie ein Netzwerk haben und Dinge bewegen. Und natürlich kannte er einen Schwulen bei IBM, meinem damaligen Arbeitgeber. Er schrieb ihm direkt, dass da ein Kollege bei IBM ist, der ein Netzwerk unterstützen würde. Es dauerte keine 48 Stunden, bis seine Mail von dem Schwulen in Miami an einen Schwulen in London weitergeleitet wurde und der, Ken war sein Name, mich anrief.

Bis heute kennt Ken nur Regenbogenbunt, zurückstecken für die Community gibt es für ihn nicht. Seine erste Frage war: „Are you out? If yes, I can make you attend the next LGBT leadership conference at IBM New York next week.” Natürlich war ich nicht geoutet, und somit der Trip nach New York passé. Aber innerhalb der nächsten Woche outete ich mich gegenüber meinem Chef und meine Reise zum Thema LGBT*IQ am Arbeitsplatz begann. Ich gründete das LGBT*IQ-Netzwerk bei der IBM Deutschland, engagierte mich zu dem Thema auf europäischer Ebene innerhalb der Firma und bekam die erste Stelle in Europe im Vertrieb der IBM als sogenannter „GLBT Business Development Executive“.

Ich habe mir in all der Zeit hin und wieder richtig dumme Sprüche anhören müssen, manche davon machten mich sprachlos, aber echte Diskriminierungen habe ich nie erlebt. Die Unterstützung, die ich von den Out Executives bei IBM erlebt habe, haben in mir ein Selbstbewusstsein aufgebaut, sodass ich das Thema heute angstfrei vertrete. Über die verschiedenen Rollen, die ich bis heute innehatte, durfte ich Out-Persönlichkeiten, aber auch Allies kennenlernen, die mich inspiriert haben und nach wie vor antreiben, mit meinem Engagement weiterzumachen. PROUT AT WORK ist die Plattform dafür geworden, Jean-Luc wurde mein Partner in crime. Gemeinsam sind so tolle Ideen entstanden, haben wir uns gegenseitig ermutigt, dass PROUT AT WORK heute das ist, was es ist. Und ich jeden Tag motiviert in die Arbeit gehe und sagen kann „I am what I am“. Danke an alle, die mich zu dem werden haben lassen, der ich bin.

Lieber Albert, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …

Leon
43 Jahre, Hannover

„Manchmal braucht es Zeit
und Vorbilder, die
Veränderungen herbeiführen. …“

Veröffentlicht: Mai 2022

EIn Leben, Zwei Outings plus Migrationsgeschichte – Eine Schublade ist genug!

Seit meiner Geburt und in den ersten Momenten der Wahrnehmungen meiner selbst wusste ich, dass ich nicht in dieses vorhandene Körperkostüm und in die „klassische“ Rollenverteilung passte. Die zugewiesenen Farben (Rot und Pink) und die Vorstellungen der Gesellschaft waren mit meinem Ich nicht kompatibel. Ich wurde dennoch – ohne dass man mir zuhörte oder mich in meinem Dasein erkannte – in das weibliche System gedrückt. Sei es durch die Erziehung oder die gesellschaftlichen Vorgaben in Kindergarten, Schule, Ausbildung und Arbeitswelt. Damals waren Transidentität und Intergeschlechtlichkeit noch nie so sichtbar wie heute.

Es gab keine Wissensvermittlung, Anlauf- und Beratungsstellen – einfach nichts, obwohl trans* und inter* Menschen existieren, seitdem es Lebewesen auf dem Planeten Erde gibt.

So wehrte ich mich von Kindesbeinen an gegen dieses weibliche Kostüm und flüchtete viele Jahre in die lesbische Schublade, in der ich für meine damaligen Begriffe annährend ich sein, männliche Kleidung tragen durfte und mich so verhalten konnte wie ich wollte, eben für mich nicht weiblich. Ich nahm dieses „Versteck“ in Kauf und outete mich wie selbstverständlich bei allen Menschen in meinem Umfeld als lesbisch. Die Reaktionen, vielen Fragen, Vorurteile und Diskriminierungen waren mir aufgrund meiner schottisch-türkischen Migrationsgeschichte von klein auf sehr geläufig – ich war quasi schon „trainiert“ darin, diese Diskriminierung auf allen Wegen auszuhalten zu müssen. Was blieb mir auch anderes übrig?

Meine Mutter war nicht überrascht und meinte, ich sei ja sowieso immer wie ein Junge gewesen. Mit dem Unterschied, dass ich schon immer einer war und bin. Sie wusste es nicht besser, woher denn auch? Der Rest der deutsch-schottisch-türkischen Verwandtschaft reagierte unterschiedlich. Von „das wussten wir schon immer“ bis „dieser Mensch kommt nicht mehr in mein Haus“ war alles dabei.

Es war ein enormer Kraftakt für mich, all die Jahre in mir selbst gefangen zu sein. Jedes Mal, wenn ich den Mut hatte, wirklich „herauszukommen“, passierte etwas, das mich zurückwarf: aus Angst vor den Reaktionen meiner Familie, Freund_innen, Kolleg_innen, Angst vor dem Verlust meines Traumberufes, Angst vor der Trennung meiner damaligen Frau. Und irgendwann lernst du, diese Rolle zu spielen, versuchst dir einzureden, es wird schon auch so irgendwie lebenswert sein.

Doch das ICH-sein-dürfen, frei sein können und der Wunsch, dieses Körperkostüm verschwinden zu lassen, wurde im Laufe der Jahre immer stärker und stärker. Sich vor dem Spiegel anzuschauen und – damals als Kind wie im Erwachsensein – den Wunsch zu verspüren, diesen Ballast einfach abzuwerfen und endlich glücklich und frei sein zu können … dieser Traum, dieses Gefühl war kräftezerrend und unerreichbar, denn ich konnte nicht aus mir heraus. Die Angst war viele Jahre zu groß.

Immer, wenn Beiträge über trans* Menschen erschienen oder ich sie auf dem CSD sah, kam dieses Gefühl und der Wunsch nach Freiheit hoch. Innerlich war ich zerrissen, aber ich versuchte, zu funktionieren, immer wieder aufzustehen und mir einzureden „du schaffst das schon“.
Als ich mich 2018 bei meiner Frau outete und über den großen Wunsch sprach, mich aus den Ketten des Leidens lösen zu wollen, weil ich so nicht mehr kann und will und mich genauso fühle wie Balian B., löste ich großes Entsetzen aus und musste die klassischen Reaktionen über mich ergehen lassen:
„Du willst doch kein Mann sein. Ich liebe dich so, wie du bist. Ich liebe deine weibliche Oberweite. Klar bist du sehr männlich, aber ich mag auch die weibliche Seite. Ich möchte keinen Mann mit Bart und vielen Haaren. Du bist doch gut so wie du bist, warum meinst du, nun ein Mann sein zu wollen? Wenn du das tatsächlich machen wirst, dann lasse ich mich scheiden …“

Das war nur ein Bruchteil der Sätze, die mir durchs Mark rauschten und jedes Mal höllische Schmerzen verursachten. Ich liebte diesen Menschen über alles, und ich versuchte, auch ihre Seite zu verstehen, aber wollte sie mich denn verstehen? Nach dem Gespräch mit meiner Frau entschied ich mich zunächst für uns und unsere Ehe und versuchte, die Sehnsucht wieder zu vergraben. Nur merkte ich, dass es mir nicht mehr so gut gelang, da die Sehnsucht und der Leidensdruck sehr schwer auszuhalten waren. Zweieinhalb weitere lange Jahre und immer wiederkehrende Gespräche mit meiner Frau später: „Wenn du das tust, lasse ich mich scheiden.“

Dann lernte ich tolle Menschen kennen, die genauso waren wie ich, mit identischen Lebensgeschichten. Diese beiden Menschen gaben mir die Kraft für meinen nächsten Schritt: 2020 kam Corona und aufgrund der vielen Streitigkeiten mit meiner Frau zog ich vorübergehend mit meinem damaligen Hund, einer französischen Bulldogge, aufs Land.

Dort hatte ich viel Zeit zum Nachdenken – das erste Mal, dass ich mir viel Zeit für mich nahm und nicht immer nur für andere Menschen parat- oder zurückstand. Endlich war ich dran!

Einfach ALLES aus den vergangenen Jahren kam nach oben geschossen wie eine Tornadowelle. In den 4 Wochen veränderte sich mein Leben im Sekundentakt. Meine Frau verwirklichte ihre Androhung und ich stand alleine da. Und durch einen örtlichen Berufswechsel stand ich auch dort vor einem Neuanfang.

Ich nahm nach 41 Jahren all meinen Mut zusammen und outete mich ein zweites Mal. Wenn nicht jetzt, wann dann? Zunächst bei meinem inneren Freundeskreis, dann bei meinen Kolleg_innen und zu guter Letzt bei meinen Vorgesetzen. Die Resonanz war überwiegend sehr positiv!

Seit 2 Jahren fühle ich mich endlich frei und ich bin froh, diesen wichtigen Schritt gegangen zu sein, auch wenn er aus vielen unterschiedlichen Gründen viele Jahre gedauert hat. Manchmal braucht es Zeit und Vorbilder, die Veränderungen herbeiführen. Heute darf ich ein Vorbild sein und möchte vielen Menschen Mut machen. Hab keine Angst, denn Du bist nicht alleine! Es ist wichtig, geschlechtliche Vielfalt und die unterschiedlichen Facetten sichtbar zu machen und das Wissen darum in alle Bereiche zu bringen. Rückblickend frage ich mich manchmal, woher ich die Kraft entwickelt hatte, immer wieder aufzustehen und weiterzugehen. Es waren die vielen tollen Menschen um mich herum, die mir Kraft und Mut gegeben haben. Natürlich auch meine Lust und Freude am Leben und die Tatsache, anderen Menschen Mut und Kraft geben zu können.
Die Erlebnisse haben mich zu dem Menschen geformt, der ich heute bin, mit all meinen Facetten:

Mein Name ist Leon Dietrich, mein Geburtsort ist die Erde, meine Nationalität ist Mensch, meine Politik ist die Freiheit, meine Religion ist die Liebe und ich liebe Menschen und unsere Demokratie!

Lieber Leon, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …

Oxana
34 Jahre, Hamburg

„War man einmal drin, öffnete sich diese
Parallelwelt, in der alle sich kannten und
man so sein durfte, wie man wollte. …“

Veröffentlicht: May2022

Parallelwelten.

Ich komme aus Russland – dem Land, das heute mit Krieg, Gewalt, Propaganda und Homophobie in Verbindung gesetzt wird. Und es ist kaum zu glauben, dass ich in meiner Jugend, also in den 2000er Jahren, die wahrscheinlich liberalste und freieste Zeit dieses Landes erlebt habe. Das war die Zeit, in der das Pop-Duo „t.A.T.u.“ auch in Europa und in den USA bekannt wurde. Damals störte es in Russland keine_n, dass sich zwei Mädchen auf der Bühne küssten. Viele Mädchen gingen dann auch auf den Straßen in kurzen Röcken Hand in Hand, wie im Video All The Things She Said. Es gab auch andere russische Künstler_innen, die in ihren Lieder und Videos homosexuelle Andeutungen machten. Damit bin ich groß geworden.

Als ich noch Schülerin war, wusste ich zwar, dass es Homosexualität gibt, habe mich aber nicht damit identifiziert. Ich hatte immer enge Beziehungen mit meinen Freundinnen, auch Händchen gehalten und in einem Bett geschlafen. Das war alles harmlos und fühlte sich normal an. Ich wusste auch, dass es in einer Parallelklasse einige Mädels gab, die angeblich auf Frauen standen. Darüber wurde nur geflüstert (später habe ich sie dann auf den Lesbenpartys gesehen). Als ich in einem Feriencamp ein Mädchen kennenlernte und jedes Mal eifersüchtig war, als sie von Jungs erzählte, konnte ich meine Gefühle nicht zuordnen.

Die Tatsache, dass ich auf Frauen stehe, wurde mir erst mit 17 klar, nachdem eine junge Frau in einem heterosexuellen Club auf mich zukam und mich kennenlernen wollte. Mit ihr war ich danach etwa ein Jahr zusammen und wir haben immer noch Kontakt (heute lebt sie mit Frau und Kind in San Francisco). Sie führte mich in die lesbische Community ein.

Die LGBT*IQ-Community in meiner Heimatstadt (ca. 2 Millionen Einwohner) war damals ziemlich groß, es gab einen Club für Lesben und einen für Schwule mit wöchentlichen Partys. In Moskau und Sankt Petersburg gab es natürlich noch mehr: mehr Clubs, mehr Partys, mehr Menschen wie wir, aber wir waren glücklich mit dem, was wir hatten. Natürlich war das alles nicht öffentlich und man musste sich auskennen, aber war man einmal drin, öffnete sich diese Parallelwelt, in der alle sich kannten und man so sein durfte, wie man wollte.

Dort habe ich meine Seelenmenschen gefunden, meine besten Freundinnen. Ich habe diese Parallelwelt geliebt, obwohl sie auch nicht perfekt war.

Ich war Studentin, hatte wenig Geld, wohnte bei meinen Eltern, die mich zwar liberal erzogen haben, aber von meiner sexueller Orientierung damals noch nichts wussten. Während ich mich in der Community so wohlfühlte, wurde die Außenwelt immer weniger tolerant – was ich aber erst später merkte.

Ende 2008 kam ich zum Studieren nach Deutschland, ohne zu wissen, wie lange ich bleiben würde … 14 Jahre später bin ich immer noch hier, glücklich mit meiner Frau verheiratet und mit einem tollen Job führe ich das Leben, das ich mir immer gewünscht habe. Ich fühle mich in Deutschland frei und sicher. Ich bin dankbar für alle Erfahrungen, die ich gemacht und alle Menschen, die ich getroffen habe. Ich bin dankbar für die Zeit, die ich in Russland erlebt habe und weiß, dass es dort heutzutage unvorstellbar und manchmal sogar gefährlich ist, Hand in Hand zu gehen. Trotzdem wünsche ich allen LGBT*IQ-Menschen, dass sie früh den Weg zu sich finden und nur die positiven Begegnungen haben. Denjenigen, die sich noch nicht trauen, kann ich nur sagen: „Habt keine Angst, ihr seid normal und nicht alleine!“

Liebe Oxana, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …

Jean-Luc
55 Jahre, Frankfurt

„Meine Eltern und Großeltern haben mir beigebracht,
dass die Zugehörigkeit zu einer Minderheit einen positiven
Wert hat und etwas ist, auf das man stolz sein kann. …“

Veröffentlicht: Mai 2022

Wurzelkraft.

Für mich und mein Engagement in der LGBT*IQ-Gemeinschaft sind meine Wurzeln und meine Herkunft sehr wichtig . Seit meiner Geburt gehöre ich zu einer Minderheit in Frankreich, als Protestant in einem sehr katholischen Land. Wir Protestanten repräsentieren etwa 2 Millionen Bürger_innen, das sind weniger als 3 % der französischen Bevölkerung. Wir sind eine starke Gemeinschaft, die sich sehr in Gesellschaft, Politik, Vereinen und Wirtschaft engagiert.

Meine Eltern und Großeltern haben mir beigebracht, dass die Zugehörigkeit zu einer Minderheit einen positiven Wert hat und etwas ist, auf das man stolz sein kann. Außerdem habe ich als Kind gelernt, dass Solidarität innerhalb und außerhalb der eigenen Gemeinschaft essentiell ist – und dass man anderen, die leiden oder abgelehnt werden, helfen sollte, ganz gleich, wer sie sind.

Auch Protestanten wurden in der Vergangenheit diskriminiert, vor allem im 17./18. Jahrhundert, nur wegen ihres Glaubens. Meine Familie hat diese Diskriminierung genauso erfahren wie andere protestantische Familien. Zum Beispiel durften wir früher unsere Toten nicht auf dem Friedhof begraben, sodass jede protestantische Familie einen kleinen Friedhof auf ihrem Grundstück hatte. Aus solchen Erfahrungen heraus wissen wir, wie sich Diskriminierung anfühlt – und das erklärt auch, warum wir Protestanten zum Beispiel während des Zweiten Weltkriegs vielen Juden geholfen haben. So habe ich gelernt, dass ich mich gegen jede Art von Diskriminierung in der gesamten Gesellschaft einsetzen muss.

Seit Generationen haben sich Mitglieder meiner Familie etwa in der Kirche und in der lokalen Politik engagiert. In der evangelischen Kirche werden die kirchlichen Angelegenheiten von einer Synode entschieden und verwaltet, einer Gruppe von Menschen aus 50 % Geistlichen und 50 % Kirchenmitgliedern. Mein Vater war über 20 Jahre lang Mitglied der Synode unserer Gemeinde. Meine Eltern und Großeltern waren auch sehr aktiv in den Gewerkschaften. Und ich bin der erste in meiner Familie, der eine Stiftung mitbegründet hat, worauf sie sehr stolz sind.

Ich habe von klein auf gesehen, wie wichtig und lohnend es ist, sich gesellschaftlich zu engagieren, Zeit für andere zu haben, und dass es möglich ist, positive Veränderungen zu bewirken.

… Vor etwa 23/24 Jahren habe ich mich geoutet und die erste große Liebe meines Lebens kennengelernt. Das gab mir viel Kraft und Selbstwertgefühl, was viele Veränderungen in meinem Leben mit sich brachte. Ich verließ die Universitätswelt, um meine Karriere bei der Deutschen Bank – und auch mein gesellschaftliches Engagement zu beginnen.

Im Jahr 2000 hatte ich dann das Glück, zur Gründungsveranstaltung von dbPride, dem LGBT*IQ-Netzwerk der Deutschen Bank, eingeladen zu werden – das war der Anfang von allem!!!

Von Anfang an, vor mehr als 20 Jahren, bis heute, waren meine Erziehung und meine Wurzeln der Schlüssel und die Hauptantriebskraft für meinen Einsatz für die LGBT*IQ-Gemeinschaft – und darüber hinaus … für eine respektvollere und tolerantere Gesellschaft.

Lieber JEan-Luc, vielen Dank für YourStory!