
Am Donnerstag, den 20. März 2025, wurde im Sozialministerium in München im Rahmen einer Feierstunde das Bundesverdienstkreuz am Bande an Albert Kehrer, Vorstand von PROUT AT WORK, übergeben. Albert Kehrer wird für sein langjähriges und unermüdliches Engagement für queere Vielfalt und Chancengleichheit in der Arbeitswelt ausgezeichnet.
Der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (Bundesverdienstkreuz) ist die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht. Dieses wird an in- und ausländische Bürger_innen für politische, wirtschaftlich-soziale und geistige Leistungen verliehen sowie für alle besonderen Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland, zum Beispiel Verdienste aus dem sozialen, karitativen und mitmenschlichen Bereich.
„Diese Auszeichnung ist eine große Ehre – nicht nur für mich persönlich und für die Stiftung PROUT AT WORK, sondern für alle, die sich für queere Vielfalt und Chancengleichheit in der Arbeitswelt einsetzen. Sie zeigt, dass das Engagement und die Arbeit von PROUT AT WORK gesehen und wertgeschätzt werden. Vielfalt ist kein Randthema, sondern eine Stärke unserer Gesellschaft – und ich werde mich als Vorstand von PROUT AT WORK weiterhin mit voller Überzeugung für eine offene und diskriminierungsfreie Arbeitswelt einsetzen“, so Kehrer.
Zum Werdegang und Engagement von Albert Kehrer
Albert Kehrer hat bereits 2003 das „LGBTIQ-Mitarbeitenden-Netzwerk“ bei IBM gegründet und einige Jahre geleitet. Dieses Netzwerk dient als Anlaufstelle für queere Mitarbeitende und deren Unterstützer_innen, bietet vertrauliche Unterstützung und sensibilisiert Führungskräfte für Diversity-Themen. Sein Engagement förderte die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Vielfalt in der Wirtschaft und Gesellschaft.
Später arbeitet er bei KPMG als Head of Diversity & Inclusion für Deutschland, wo er Programme für alle Diversity-Dimensionen umsetzte. Seit 2010 ist Albert Kehrer als selbstständiger Diversity-Experte, Coach und Berater tätig, mit einem Fokus auf Führungskräfte. Er ist bei verschiedenen Organisationen als Experte gelistet und hat kontinuierlich die Themen Vielfalt und Queer Diversity in der Arbeitswelt vorangetrieben.
Albert Kehrer war zudem ehrenamtlich aktiv: Er war Vorstand vom „Völklinger Kreis e.V.“, dem Bundesverband schwuler Führungskräfte, und gründete 2006 gemeinsam mit Jean-Luc Vey eine Initiative für queere Mitarbeitendennetzwerke. Diese Initiative führte 2013 zur Gründung von PROUT AT WORK.

„Durch sein langjähriges Engagement hat Albert einen wertvollen Beitrag zur Gründung und Weiterentwicklung von queeren Netzwerken in Unternehmen geleistet. Die Auszeichnung ist ein starkes und wichtiges Signal, dass Diversity und Inclusion auch am Arbeitsplatz gesehen und gefördert werden muss.“ – Dr. Antonia Wadé, Vorsitzende des Stiftungsbeirats von PROUT AT WORK
Impressionen von der Verleihung






Copyright: StMAS/Schäffler
Mit einer beeindruckenden Tour quer durch Deutschland setzten Brix Schaumburg, freischaffender Künstler, und Robin Scheerbaum, systemischer Berater und Content Creator für queeren Aktivismus, ein kraftvolles Zeichen für Queer Diversity. Dabei verfolgten die beiden ein klares Ziel: Menschen zusammenzubringen, Dialoge über queere Themen zu fördern und Spenden für PROUT AT WORK zu sammeln.
1.600 Kilometer für den guten Zweck
Die Radtour begann am 15. September 2024 an der Zugspitze und endete in Berlin. Dabei legten Brix und Robin rund 1.600 Kilometer zurück – trotz herausfordernder Wetterbedingungen und großer körperlicher Anstrengung. Der Einsatz hat sich gelohnt: Insgesamt kamen 7.000 Euro für die PROUT AT WORK-Foundation zusammen. Die gesammelten Spenden wurden feierlich auf der PROUT AT WORK-Konferenz 2024 bei OTTO in Hamburg übergeben.

„Die Übergabe der Spendensumme bedeutet uns unglaublich viel! Dank der finanziellen Unterstützung können wir mehr Ressourcen für unsere wertvolle Arbeit schaffen und noch mehr Unternehmen auf ihrem Weg hin zu queerer Vielfalt und Chancengleichheit begleiten. Zudem sind wir unglaublich dankbar für die mediale Sichtbarkeit, die PROUT AT WORK durch Brix und Robin erhalten hat. Denn nur, wenn wir sichtbar und laut sind, werden unsere Anliegen und die von allen queeren Menschen gehört und umgesetzt.“ – Albert Kehrer, Vorstand von PROUT AT WORK.
Stationen voller Begegnungen und Inspiration
Ein besonderer Fokus der Tour lag auf dem Austausch mit der Community vor Ort. An jedem Abend trafen Brix und Robin inspirierende Menschen, um gemeinsam über queere Themen zu sprechen. Hier einige Stationen der Radtour:
- München (16.09.): Queer History Tour und Karaoke im Sub – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e.V.
- Ingolstadt (18.09.): Austausch beim Trans*-Treff und queeren Stammtisch
- Mannheim (21.09.): Lesung und Karaoke-Abend im Queeren Zentrum Mannheim
- Wolfsburg (29.09.): Besuch im Fußballstadion
- Berlin (06.-08.10.): Abschluss-Events mit Panel-Diskussion bei LinkedIn und dem großen Finale bei Ride Berlin
Ein starkes Zeichen für queere Sichtbarkeit
Que(e)r durchs Land war nicht nur eine sportliche Herausforderung, sondern vor allem ein Leuchtturmprojekt für die Sichtbarkeit queerer Vielfalt in Deutschland. Durch die Kombination aus persönlichem Engagement, medialer Reichweite und direktem Dialog trugen Brix und Robin dazu bei, die Mission von PROUT AT WORK in die breite Öffentlichkeit zu tragen.
Ausblick: Weiter radeln für Vielfalt
Die Erfolgsgeschichte geht weiter: Auch für das kommende Jahr planen Brix Schaumburg und Robin Scheerbaum eine Fortsetzung der Tour. Ein großes Dankeschön gilt allen, die diese Tour unterstützt haben – sei es durch Spenden, aktive Teilnahme oder mentale Unterstützung. Gemeinsam machen wir einen Unterschied!
Mehr zur „Que(e)r durchs Land“-Tour 2024 erfahrt Ihr in diesem Video:
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Im Gespräch mit… Leon Wiersch, Detlev Blenk und
Christian Lemkens
PROUT AMPLIFIER
Im Zuge unseres PROUT AMPLIFIER Projekts sprechen wir nicht nur mit ausgezeichneten PROUT PERFORMERN, sondern auch mit engagierten Personen, die noch nicht so viel Gehör finden, aber mindestens genauso wichtige Arbeit für Queer Diversity im Unternehmen leisten. Detlev Blenk, Equality, Diversity und Inclusion Manager bei IKEA, stellt uns seine Kolleg_innen Christian Lemkens und Leon Wiersch vor, die insbesondere in ihren Aufgabenfeldern beispielhafte Arbeit für queere Vielfalt und Chancengleichheit am Arbeitsplatz leisten. Gemeinsam mit ihnen haben wir über ihr Engagement bei IKEA und ihre Motivation dahinter gesprochen.
Welchen Stellenwert haben Vielfalt und Queerfreundlichkeit in
Eurem Unternehmen?
Detlev: Der Einzelhandel generell beschäftigt überdurchschnittlich viele queere Menschen, das ist bei IKEA ganz genauso. Aufgrund von globalen Erhebungen gehen wir von 10 bis 13% aus. Schon allein diese große Zahl setzt einen besonderen Fokus auf unsere Vielfalts- und Inklusionsaktivitäten. Unser Credo: Alle Menschen sollen bei IKEA so sein dürfen, wie sie sind – unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht, sexueller oder geschlechtlicher Identität und körperlichen bzw. geistigen Möglichkeiten.
Welche Werte prägen Euren Arbeitsalltag und wie werden diese
gelebt?
Detlev: Die Kultur bei IKEA ist sehr stark durch die Werte bestimmt. Diese finden ihren Ursprung in Schweden und prägen unser Miteinander, unsere Begegnungen mit Kund_innen, Bewerber_innen und Suppliern.
Was macht Leon und Chris zu Role Models bzw. warum sollten
genau ihre Perspektiven gehört und gesehen werden?
Detlev: Ich fand das Vorhaben, mal nicht die üblichen Gesichter aus den oberen Führungsetagen in den Fokus zu setzen, toll, sondern gerade die zu Wort kommen zu lassen, die im Unternehmen, auf queeren Messen oder anderen Veranstaltungen für die queere Gemeinschaft so viel leisten und bewirken. Leon und Chris sind hier zwei von vielen Kolleg_innen, die sich entweder lokal in einem IKEA Store oder als Mitglied in der Netzwerkleitung unseres queeren Mitarbeitenden-Netzwerks mit großer Leidenschaft einbringen.
Gibt es einen speziellen Moment (oder auch ein gemeinsames
Projekt/eine aktuelle Kooperation) mit ihnen, von dem Du
berichten möchtest?
Detlev: Chris hat fast im Alleingang den operativen Teil für unsere nationale Teilnahme an den CSDs in Berlin und Köln gestemmt und die Kolleg_innen auf den Trucks mitreißend für eine bunte und vielfältige Welt motiviert. Leon ist für seinen IKEA Store ein großer Treiber von Vielfalt und Inklusion und bringt dort ganz viele Ideen ein.
Was kannst Du als etablierter PROUT PERFORMER von Kolleg_innen lernen? Vielleicht gerade von jüngeren oder von solchen aus
völlig anderen Betätigungsfeldern? Wo macht es Sinn,
(noch enger) zusammenzuarbeiten?
Detlev: Wir lernen viel voneinander. Als Mittfünfziger und Schwuler habe ich andere Erfahrungen im Leben gemacht als Chris und Leon. Ihre queeren Erfahrungen sind breitflächiger und nicht nur auf das „G“ in LGBTQIA+ konzentriert. Da lerne ich immer wieder gerne dazu. Und natürlich stehen sie neun Stunden auf einem CSD-Truck noch viel entspannter durch als ich. Jede_r bringt sich hier mit ihren_seinen Möglichkeiten und Erfahrungen ein – ganz im Sinne von IKEA: „You do your part, we do our part, together we create a better world for the many people“.
Welchen Job macht Ihr aktuell bei IKEA und wie lange seid Ihr
schon im Unternehmen?
Christian: Insgesamt bin ich jetzt ziemlich genau 15 Jahre dabei. Seit Februar 2023 als IKEA for Business Country Specialist. In dieser Funktion arbeite ich eng mit unterschiedlichen Schnittstellen (z.B. Marketing oder Customer Fullfillment aber auch den lokalen Einrichtungsmärkten) zusammen und setze gemeinsam mit den Kolleg_innen die Geschäftsstrategie und Unternehmensziele um.
Leon: Auch ich feiere gerade ein kleines Jubiläum. Ich bin seit zwei Jahren mit an Bord. Ursprünglich habe ich Produktdesign studiert. Mittlerweile arbeite ich – quasi im Que(e)reinstieg – als Visual Merchandiser (Communication and Interior Design). Das heißt grob gesagt, ich bin mit dafür verantwortlich, dass IKEA aussieht wie IKEA.
„Als Mittfünfziger und Schwuler habe ich andere Erfahrungen im Leben gemacht als Chris und Leon. Ihre queeren Erfahrungen sind breitflächiger und nicht nur auf das „G“ in LGBTQIA+ konzentriert.“
Wie erlebt Ihr Queer-Sein bei der Arbeit? Ist das ein Thema, das im
Alltag Relevanz hat? Falls ja: In welchen
Zusammenhängen/Situationen?
Christian: Unser Arbeitsalltag ist bestimmt von Vielfalt und Werten. Ich habe vollen Rückhalt durch meine direkte Führungskraft und unsere Landesleitung. An Situationen kann ich es gar nicht festmachen, da es bei uns ganz normal ist, so zu sein, wie man sein möchte.
Leon: Tatsächlich ist das Thema für mich gar nicht so von Belang. Der Umgang miteinander ist locker und freundlich. Dass alle sich duzen, offen „Flagge zeigen“ und es eine offene Feedback-Kultur gibt, hilft sehr. Klar werden von Kolleg_innen immer mal wieder Fragen gestellt. Nicht übergriffig, sondern aus echtem Interesse. Aber dabei hat man dann ja auch die Möglichkeit, Educator zu sein – das finde ich total schön.
Gab/gibt es beim Thema „Out im Job“ Herausforderungen (generell/für Euch persönlich)? Wie meistert Ihr diese?
Christian: Ich bin von Anfang an offen mit dem Thema umgegangen und habe deshalb nie Ablehnung erfahren. Allerdings geht es scheinbar nicht allen Kolleg_innen so. Bei einer Infoveranstaltung für Allies haben fast 10% der Teilnehmenden auf die Frage „Würden deine Kolleg_innen positiv reagieren, wenn du ihnen deine_n (gleichgeschlechtliche_n) Partner_in vorstellen würdest?“ mit „Nein.“ geantwortet. Und die Hälfte hat Angst, dass sie deswegen ausgegrenzt oder verspottet würde. Das ist auf jeden Fall ein Zeichen, dass wir noch einiges an Aufklärungsarbeit vor uns haben.
Leon: Ich denke, für viele ist das innere Coming Out der schwierigste Teil. Bevor man nach außen geht, muss man zuerst selbst verstehen, dass man sich für Dinge nicht schämen braucht. Am Ende hat man den Schlüssel zum eigenen Käfig in vielen Fällen selbst in der Hand.
Wenn es eine Sache gäbe, die Ihr Euch in diesem Zusammenhang
wünschen dürftet, was wäre das?
Christian: Ich würde mir total wünschen, dass sich niemand wegen der eigenen Identität rechtfertigen oder schämen muss. Jede Person soll so leben, wie sie es möchte. Eigentlich würde ich mir auch wünschen, dass wir überhaupt nicht mehr über solche Themen reden müssen. Es sollte mittlerweile normal sein. Bis es das ist, werde ich auf jeden Fall weiter dafür kämpfen.
Leon: Jedes Coming Out hilft, mit Stereotypen zu brechen. Die Entscheidung dazu sollte natürlich bei jeder_jedem selbst liegen. Queerness ist ja super breit gefächert – ein Spektrum. Und viele Teile davon sind total unterrepräsentiert. Ich wünsche uns allen den Mut, dass wir uns frei auf diesem Spektrum bewegen und Veränderungen zulassen können.
„Queerness ist ja super breit gefächert – ein Spektrum. Und viele Teile davon sind total unterrepräsentiert. Ich wünsche uns allen den Mut, dass wir uns frei auf diesem Spektrum bewegen und Veränderungen zulassen können.“
Wie engagiert Ihr Euch bei IKEA für queere Belange? Worauf seid
Ihr dabei besonders stolz?
Christian: Ich bin mit vollem Herzblut in unserem Pride-Netzwerk aktiv und es macht mich sehr stolz zeigen zu dürfen, dass wir alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit respektieren und schätzen. Wir versuchen, Sichtbarkeit für unsere Themen zu schaffen und uns für mehr Toleranz und Verständnis im Umgang miteinander einzusetzen. Seitdem das Netzwerk von der Deutschland-Zentrale aus gesteuert wird, ziehen auch die Einrichtungshäuser vor Ort mehr und mehr nach und gründen lokale Diversity-Gruppen. Das ist eine tolle Entwicklung, die wir natürlich gerne unterstützen.
Leon: Da kann ich direkt einhaken. Nach meiner ersten Teilnahme am CSD wollte ich den Spirit unbedingt zurück mit nach Wuppertal nehmen und mich in einer Diversity-Gruppe vor Ort einbringen. Der Gedanke ist toll, aber die Umsetzung – sprich die Gründung und Organisation – ist gar nicht so einfach. Da hat uns das Netzwerk – allen voran Detlev – super unterstützt und hilfreiche Tipps gegeben. Ab dem nächsten Geschäftsjahr soll dann tatsächlich in jedem Store eine lokale Diversity-Gruppe fest verankert werden.
Gibt es eine spezielle Aktion/Projekt/Fortschritt, von dem Ihr
erzählen möchtet?
Christian: Worüber ich mich sehr freue, ist, dass wir unser Pride-Netzwerk letztes Jahr reaktiviert haben. Es finden wieder viel mehr Aktivitäten in unseren Units zum Thema Diversity am Arbeitsplatz statt und wir haben an den CSDs in Köln und Berlin teilgenommen. Es gab vor vielen Jahren schon einmal eine Pride-Gruppe, aber leider ist die Arbeit irgendwann „eingeschlafen“. Jetzt sind wir wieder da und lauter als je zuvor. Mit dem Start unseres neuen Geschäftsjahres im September bin ich Teil der Landesleitung unseres Pride-Netzwerks und habe bereits viele tolle Ideen, wie wir das Thema sichtbarer machen und auch unsere Kund_innen einbinden können.
Was ist im Job wichtig, damit queere (Netzwerk-)Arbeit
gelingen kann?
Christian: Das Mindset! Und der Support von unseren Units und Allies. Allein in Deutschland haben wir über 22.000 Mitarbeitende. Da ist es nicht möglich, dass nur fünf Personen in einer Pride-Netzwerkgruppe das Thema vorantreiben und sichtbar machen. Wir brauchen Verbündete, die uns Selbstbewusstsein geben und den Rücken stärken.
Leon: Viel Sprechen und echtes Interesse zeigen. Eine gute und umfassende Kommunikation ist das A und O. Damit erhöht sich für alle die Chance, wirklich Gehör zu finden.
Wie wichtig ist es, im Job „out“ zu sein? Ist das für alle
Kolleg_innen gleichermaßen möglich?
Leon: Jedes Coming Out – egal wo – macht die Welt zu einem besseren Ort, sorgt für mehr Sichtbarkeit und ist auch für einen selbst meist eine unglaublich große Befreiung. Ist das innere Coming Out erst einmal geschafft und entschließt man sich, das auch nach außen zu tragen, ist es natürlich super wichtig, dass auch das Arbeitsumfeld einen Safer Space für Diversität bietet.
Wie wichtig sind Vorbilder in diesem Zusammenhang?
Leon: Ich selbst hätte früher sehr von Vorbildern profitieren können. Tatsächlich schienen alle schon zu wissen, was mit mir los war, ehe ich es selbst wusste. Als Kind wurde ich deswegen immer wieder angefeindet. Mittlerweile ist meine Taktik maximale Transparenz. Je offener ich mit meiner Identität umgehe, desto weniger Angriffsfläche bietet das. Gleichzeitig bin ich auch sehr motiviert, Vorbild für andere zu sein und Menschen dadurch zu unterstützen. Das gibt mir viel zurück.
„Jedes Coming Out – egal wo – macht die Welt zu einem besseren Ort, sorgt für mehr Sichtbarkeit und ist auch für einen selbst meist eine unglaublich große Befreiung.“
Wer oder was hat Euch auf Eurem Weg bestärkt?
Christian: Bei der Frage sind mir gleich die Tränen in die Augen gestiegen, denn sie hat mich an mein Coming Out bei meiner Mutter und Großmutter erinnert. Meine Mutter hat ziemlich cool reagiert und mich gefragt, wann wir dann endlich mal zusammen shoppen gehen. Bei meiner Großmutter war es etwas schwieriger – sie stand dem Thema (damals) sehr konservativ gegenüber. Ich hatte Angst, es ihr zu erzählen und habe es auch viele Jahre verheimlicht. Irgendwann kam es dann durch einen dummen Zufall raus und ich habe mir daraufhin große Sorgen gemacht. Umso überraschter und erleichtert war ich, als ich es ihr endlich sagen konnte und sie auf der Couch saß, Socken strickte und sagte: „Du bist mein Enkel, das wirst du immer bleiben und ich liebe dich so, wie du bist.“ Von diesem Zeitpunkt an habe ich mich unglaublich stark gefühlt und hatte allen Rückhalt, den ich brauchte, um selbstbewusst meinen Weg zu gehen.
Thema Verbündetenschaft: Was macht gute Allies aus?
Leon: Gute Allies hören zu und unterstützen. Sie schauen nach innen und arbeiten an eigenen Vorurteilen. Generell ist es für Verbündete glaube ich sehr wichtig, lernwillig zu sein und zu versuchen, Einander zu verstehen – übrigens nicht nur im queeren Kontext. Meine besten Freund_innen sind beispielsweise PoC und erleben im Alltag leider immer wieder Beleidigungen und Diskriminierung. Wir alle finden es total schön, wenn sich eine andere Person für uns stark macht (auch beispielsweise, wenn wir selbst gerade nicht mit im Raum sind). Genauso schön ist es aber auch, wenn man dann etwas zurückgeben kann.
Seid Ihr auch außerhalb der Arbeit in queeren Kontexten
aktiv/engagiert?
Leon: Ich gehe im Alltag mit Freund_innen und Bekannten ins Gespräch. In meinem Designstudium habe ich eine Arbeit über binär-gegenderte Produktsprache geschrieben, die das bewusste Gendern von Konsumgütern dokumentiert, aufdeckt und kritisiert. Beispiele dazu gibt es von der Shampoo-Flasche, über Rasierer, Süßigkeiten, Teesorten usw. – eigentlich in jedem Bereich. Selbst Grillwürstchen und Schreibwaren waren von der Produktsprache eindeutig einem binären Geschlecht zugeschrieben und warben ausschließlich für ein einziges Geschlecht. Ich bin wirklich froh, dass IKEA sich bemüht, sich dahingehend neutral zu verhalten und davon absieht, Produkte nur für Männer ODER nur für Frauen zu führen. Auch spannend fand ich, dass ich an „Verqueerte Identitäten“ (einer Masterarbeit über die Erfahrungen von genderfluiden Menschen) mitwirken und dort meine Erfahrungen und Entwicklung als nicht-binäre Person teilen durfte.
Was sind Eure Pläne/Wünsche/Ziele für die Zukunft? Worauf freut Ihr Euch?
Christian: Ich freue mich auf die intensive Netzwerk-Arbeit. Ich habe den persönlichen Drang, mich mehr zu engagieren, insbesondere da gewisse Gruppierungen immer lauter werden. Wenn „Rechts“ lauter wird, müssen wir es auch werden. Mein Wunsch ist es, dass wir eines Tages in einer Gesellschaft leben, in der alle glücklich sind und einfach so sein können, wie sie sein wollen!
Leon: Ich wünsche mir noch mehr Sichtbarkeit im Store. Ich will mehr Perspektiven kennenlernen, mehr „Buntheit“ erleben und vor allem mehr über andere Communities erfahren, mit denen ich bisher weniger Berührungspunkte hatte. Denn genau so dürfen wir neu-, weiter- und umlernen.
Detlev, Christian und Leon, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr über unser PROUT AMPLIFIER Projekt findet Ihr hier.

PROUT EMPLOYER BASF
„Solange wir es noch nicht geschafft haben, diese Voraussetzungen in Arbeitswelt und Gesellschaft für alle zu schaffen, solange lassen wir auch Chancen liegen, und nutzen nicht unser volles Potenzial.“
Katja Scharpwinkel wurde 1969 in Hagen geboren. Sie studierte Chemie an der Universität Münster und erhielt 1994 ihr Diplom, gefolgt von ihrer Promotion 1996.
Sie ist als Mitglied des Vorstands verantwortlich für die Bereiche European Site & Verbund Management; Global Engineering Services; Corporate Environmental Protection, Health, Safety & Quality und die Region Europa, Mittlerer Osten, Afrika.
WAS BEDEUTET ES FÜR SIE ALS STANDORTLEITERIN
FÜR DAS WERK LUDWIGSHAFEN, SICH FÜR MEHR QUEER
DIVERSITY UND VISIBILITÄT EINZUSETZEN?
Dr. Katja Scharpwinkel: In meiner Rolle als Standortleiterin ist es meine Aufgabe, das Team am Standort zusammenzubringen. Bei den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft kommt es darauf an, dass wir motiviert und vor allem geschlossen auf unsere Ziele hinarbeiten. Das geht nur, wenn niemand mit Vorbehalten oder künstlichen Barrieren kämpfen muss. Das gilt am Standort Ludwigshafen, aber genauso im privaten Umfeld. Ein wichtiger Schritt, um Vorbehalte abzubauen, ist der Austausch, das gegenseitige Kennenlernen. Ich will helfen, das voranzutreiben – und ich weiß: Damit bin ich nicht allein, sondern habe viele Engagierte an meiner Seite – bei BASF und im Netzwerk von PROUT AT WORK.
WAS HALTEN SIE VON DER AUSSAGE, DASS ES VON NUN
AN WICHTIGERE THEMEN GIBT ALS QUEER DIVERSITY?
Dr. Katja Scharpwinkel: Ich finde, es bringt nichts, Themen, welche die Gesellschaft bewegen und prägen, gegeneinander abzuwägen. Wir sollten auch wegen einer Pandemie oder wegen der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen nicht den Klimaschutz und die notwendige (Energie-)Transformation zurückstellen.
Und so bleibt auch Queer Diversity unverändert aktuell. Sie steht für mich auch stellvertretend für Toleranz, Zusammenhalt und Menschlichkeit. Diese Werte sind die Basis unseres Zusammenlebens in einer Demokratie – wir müssen sie schützen, egal was kommt. Alles andere wäre für unsere Gesellschaft ein großer Schritt zurück.
WARUM IST ES FÜR SIE EINE HERZENSANGELEGENHEIT,
QUEER DIVERSITY ZU UNTERSTÜTZEN?
Dr. Katja Scharpwinkel: Wie die meisten möchte ich in einem Unternehmen arbeiten, an dem ich so sein kann, wie ich bin. Nur dann kann ich motiviert und mit Spaß anpacken, nur so kann und will ich auch mein Bestes einbringen. Solange wir es noch nicht geschafft haben, diese Voraussetzungen in Arbeitswelt und Gesellschaft für alle zu schaffen, solange lassen wir auch Chancen liegen, und nutzen nicht unser volles Potenzial. Das ist ein Zustand, der nicht erst seit dem Fachkräftemangel inakzeptabel ist. Deshalb setze ich mich im privaten wie im beruflichen Umfeld für Diversität ein.
Liebe Katja, vielen Dank für das Gespräch!

MYSTORY mit …
marit
60 Jahre, ludwigsburg
„Trans* ist etwas Wunderbares – dieser Satz fasst zusammen, was ich als Gender-Euphorie bezeichne.“
Veröffentlicht: Januar 2024
Coming-Out-Geschichten gibt es sehr viele und bei den meisten trans* Personen ähneln sie sich auf verblüffende Weise, obwohl wir sehr wohl alle einen sehr individuellen Weg gehen. Daher möchte ich auf meine verschiedenen Coming-Outs gar nicht eingehen.
Ich bin 60 Jahre alt und lebe seit fast vier Jahren offen als Frau – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das hat mein Umfeld recht abrupt erfahren müssen. Bis auf meine Partnerin und wenige vertraute Menschen war niemand vorbereitet. Trotzdem hat sich für kaum jemanden etwas verändert, als ich plötzlich als Frau aus der Tür ging. Hier möchte ich schildern, was mich auf meinem Weg begeistert hat und was mein Leben aus der Grauzone geholt hat.
Trans* ist etwas Wunderbares – dieser Satz fasst zusammen, was ich als Gender-Euphorie bezeichne.
Ein großer Moment war für mich mein erster Auftritt als Frau bei einem Seminargruppentreffen. Bis auf eine knappe Mail hatte ich vorab nichts über meine Veränderung verlauten lassen. Nachdem ich einige der Teilnehmenden länger nicht gesehen hatte, haben mich nicht alle sofort erkannt – doch das ging mir genauso. Die Verblüffung war zunächst groß, doch dann war das Eis gebrochen und die einhellige Meinung war, dass die anwesenden Damen (mich inbegriffen) sich besser gehalten haben als die doch mehr oder weniger gealterten Herren. Als ich dann wie selbstverständlich in die Runde der wenigen Frauen aufgenommen wurde, war klar, dass ich in meiner Welt angekommen bin.
Eigentlich war eine Hormontherapie nicht mein Ziel, doch ich wollte meine Haare nicht verlieren, also habe ich mich darauf eingelassen, Testosteron durch Östrogen zu ersetzen. Was ich nicht wusste, war, dass sich nicht nur mein Körper umstellt und plötzlich kälteempfindlich wird sowie weniger kräftig. Auch meine Gefühle konnte ich auf einmal wahrnehmen und zulassen. So stand ich dann mitunter in der Küche und hatte ohne äußeren Anlass Tränen in den Augen – vor Glück, dass mir das alles noch möglich geworden ist, was ich vorher nie erwartet hätte. Später gab es auch traurige Anlässe zum Weinen wie Abschiede oder zerbrochene Freundschaften.
Selbstbewusstsein war nie mein Ding als Mann. Woher auch, ich war ein Wesen, dass mit sich selbst nicht im Reinen war. Immer war ich in Abwehrhaltung, hatte Angst, Fehler zu machen oder mich zu blamieren. Vor lauter Vorsicht war ich nahezu unsichtbar.
Als Frau habe ich jetzt den Mut, Dinge zu tun, Entscheidungen zu treffen und Hilfe anzunehmen. Warum? Was soll schon passieren, wenn mal was schiefgeht? Ich bin schließlich ein Mensch mit Stärken und Schwächen und darf Fehler machen, aber auch erfolgreich sein.
Im Beruf war das am deutlichsten zu spüren. Meine Kolleg_innen akzeptierten mich, auch wenn ich mich oft weit aus dem Fenster gelehnt habe und manchmal zurückrudern musste.
Sind Frauen im Beruf gegenüber Männern benachteiligt? Ja, und das hat überwiegend strukturelle Gründe und ist weniger durch unterschiedliche Persönlichkeitsmuster bedingt. Dennoch sehe ich als spätberufene Frau mit männlicher Sozialisation die (Arbeits-)Welt automatisch immer aus zwei Perspektiven. Einerseits kenne ich die „typisch männlichen“ Verhaltensmuster wie Konkurrenzdenken oder Angst vor Versagen und kann mich darauf einstellen. Andererseits habe ich in den letzten Jahren „typisch weibliche“ Eigenschaften wie Kommunikationsfähigkeit, Empathie oder auch Kooperationsbereitschaft weiterentwickelt und setze diese bewusst im Sinne des jeweiligen Teamziels ein. Es begeistert mich immer wieder, dass ich gerade als Frau viel wirksamer in meiner Arbeitsumgebung bin als zuvor in meiner aufgezwungenen Männerrolle.
Eine wichtige Voraussetzung für meine Transition war die Unterstützung durch meinen Arbeitgeber. Das Statement des Managements für Diversity und gegen Diskriminierung hat es mir erlaubt, meinen Weg ohne Existenzängste anzugehen. Allerdings bekam ich kaum Unterstützung bei der praktischen Umsetzung. Jeden Schritt musste ich mir selbst erarbeiten und die nötigen Informationen beschaffen. Auch hatte ich keinerlei Vorbilder in meiner Arbeitswelt bis auf eine Kollegin im queeren Firmennetzwerk, die für sich eine Vornamensänderung erreicht hatte.
Diesen Zustand wollte ich verbessern und habe parallel begonnen, Online-Trainingssessions zum Thema Transgeschlechtlichkeit anzubieten und außerdem einen Firmenleitfaden zu verfassen. Meine Vorträge sind inzwischen gut besucht und tragen so zur Sichtbarkeit von Transgeschlechtlichkeit am Arbeitsplatz bei. Sie holen das Thema aus der dunklen Tabu-Ecke. Mit unserem Transgender-Guide haben wir viele positive Rückmeldungen bekommen und bald soll eine englischsprachige Version erscheinen. Freiwillige für die Übersetzung in andere Landessprachen haben sich schon gemeldet.
Positive Sichtbarkeit hat sich immer mehr zu einer Herzensangelegenheit für mich entwickelt. Negative Sichtbarkeit für trans* Personen gibt es schon genug und dem möchte ich etwas entgegensetzen.
So habe ich begonnen, meine Erfahrungen im Unternehmensumfeld als Beratungsleistung für andere Firmen anzubieten. Allerdings ist Sichtbarkeit oder auch Reichweite im Online-Business ausschlaggebend und da habe ich noch jede Menge zu erreichen. Mein neues Projekt hat zwar Potential, aber noch einen weiten Weg vor sich.
Ich möchte meine Gedanken mit einem persönlichen Erlebnis schließen, das mir gezeigt hat, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Vor einigen Wochen habe ich in einem Gebäude mit viel Glas eine attraktive Frau durch ein Fenster gesehen. Es war nur die obere Hälfte des Gesichts erkennbar und sie hat intensiven Blickkontakt gehalten. Sie war mir sofort sympathisch und ich wollte sie erreichen und ansprechen. Als ich mich in Bewegung setzte, bemerkte ich, dass ich sie schon kenne. Diese Frau war ich – gespiegelt im Fensterglas in der Dämmerung.
Es gibt viele schöne, kleine und große Begebenheiten und Entwicklungen auf meinem Weg – genauso wie auf dem Weg aller anderen trans* Menschen. Das möchte ich hier teilen, um in dieser schwierigen Zeit den Blick auf das Positive zu lenken.
Liebe marit, vielen Dank für YourStory!
Show Your true colors!
Das Interview mit Julia wurde für den PRIDE DAY GERMANY 2024 geführt.
Wie zeigt Ihr queeren Menschen an Eurem Arbeitsplatz, dass sie in ihrer ganzen Authentizität willkommen sind?
Am 04. Juli feiern wir den PRIDE DAY GERMANY. Der Aktionszeitraum ist jedoch länger geöffnet! Noch bis zum 25. Juli könnt Ihr Eure Aktivitäten für Queer Diversity einreichen und habt damit die Chance zum PRIDE DAY CONTEST Publikumsliebling zu werden! Im sechswöchigen Aktionszeitraum zeigen wir jährlich Eure Firmenaktionen für Queer Diversity auf unserer Website und Eure Kommunikation auf unserer Social Media Wall. Im anschließenden
PRIDE DAY CONTEST führen wir ein Publikumsvoting durch und küren die drei Aktionen mit den meisten Stimmen zu Publikumslieblingen!

MYSTORY mit …
julia
29 Jahre, düsseldorf
„sich über erlebnisse, Gedanken, empfindungen, gefühle und wahrnehmungen auszutauschen und dabei eine verbindung zu menschen zu spüren, ist ein aspekt von vielfalt, auch geschlechtlicher vielfalt, den ich sehr wertvoll finde.“
Veröffentlicht: Dezember 2023
Zuerst ein paar Fakten über mich: Ich bin 29 Jahre alt, trans* und lebe seit etwas mehr als fünf Jahren als Frau. Aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Süddeutschland, wohne aber nach einigen Stationen hier und da mittlerweile in Düsseldorf. Dort arbeite ich bei einem Versicherungsunternehmen als Aktuarin und bin im LGBTIQ+ Mitarbeitenden-Netzwerk aktiv.
Als Aktuarin beschäftige ich mich viel mit Formeln und Zahlen. Ich setze mich zum Beispiel mittels mathematisch-statistischer Methoden mit der Modellierung, Bewertung und Steuerung von Risiken auseinander – bin also ziemlich rational im Job unterwegs. Gleichzeitig freue ich mich als Teil des LGBTIQ+ Netzwerks über jeden Austausch mit Menschen, um Gedanken, Gefühle und Perspektiven besser verstehen zu können, insbesondere zu Themen aus dem Bereich DEI (Diversity, Equity and Inclusion) und LGBTIQ+. Daraus können viele Ideen und Verständnis entstehen und ein gemeinsames, inklusives Miteinander wachsen. Beide Seiten der Arbeit machen mir viel Spaß!
Im Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt am Arbeitsplatz stehen für mich folgende Fragen im Fokus:
- Schweigt man über einen wichtigen Teil der eigenen Identität oder kann man offen damit umgehen?
- Kann man ein authentisches Selbst mit der Welt, den Mitmenschen und den Personen im Arbeitsumfeld teilen?
- Wird man angenommen, wie man ist?
- Funktioniert der Arbeitsplatz als System für eine Person?
- Wird inklusiv mit Personen, Identitäten und ihren verschiedenen Bedürfnissen umgegangen?
Es geht um die Fragen: Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Und dann auch: Kann ich diese Person am Arbeitsplatz sein? Diese Fragen sind sehr tiefgreifend. Das zu erkunden und herauszufinden war ein langer Weg für mich, der auch nie wirklich zu Ende sein wird, denke ich. Ein essenzieller Teil meines Weges waren die Menschen, die ich um mich hatte.
Für mich ist meine Identität als Frau, mein trans* Sein, mein Hier und Jetzt auch stark mit Menschen verbunden: mit meiner Schwester; mit Freundschaften, die mich schon lange begleiten; mit Menschen, die sichtbar waren und Raum eingenommen haben. Sie haben mir das Gefühl gegeben, die Freiheit zu haben, mich ausprobieren zu können, ohne dafür verurteilt zu werden.
Sie haben manche Fragen gestellt, aber gleichzeitig oftmals keine Fragen gestellt und mein Sein sich einen Weg bahnen lassen. Das Gefühl, wenn sich etwas richtig anfühlt, ist unglaublich erfüllend und überwältigend. Dieses Gefühl musste ich zulassen können. Mit diesen Menschen habe ich viele dieser Momente zusammen erleben dürfen: gemeinsam Sport zu machen, den eigenen Körper wahrzunehmen und eine Beziehung dazu aufzubauen, den Körper als Medium des Ausdrucks zu nutzen, zu tanzen; Kleidung, Make-Up, Musik und Kunst als Interaktion mit der Außenwelt zu sehen und zu nutzen. In ihrer Vielfalt können sie so viel ausdrücken: Freude, Freiheit, Stärke und das Gefühl, die Welt umarmen zu wollen – aber genauso Ruhe, Schwäche, Trauer und das Gefühl, sich unter einer Decke verkriechen zu wollen. All das hat eine Dynamik in sich, die mir sehr viel gegeben und mir geholfen hat, die Fragen „Wer bin ich? Und wer möchte ich sein?“ zu erkunden.
Dabei führe ich gern Gespräche auf einer sehr menschlichen Ebene, die etwas Verbindendes ist, ohne dass man sich lange kennt. Menschlichkeit zu spüren und sich zuzuhören kann viel verändern: Man wird sich besser der eigenen Perspektive bewusst und erkennt auch eigene Privilegien. Gleichzeitig erweitert man die eigene Perspektive und sieht auch die Zusammenhänge und systemischen Aspekte. Sich über Erlebnisse, Gedanken, Empfindungen, Gefühle und Wahrnehmungen auszutauschen und dabei eine Verbindung zu Menschen zu spüren, ist ein Aspekt von Vielfalt, auch geschlechtlicher Vielfalt, den ich sehr wertvoll finde.
Liebe julia, vielen Dank für YourStory!
PRIDE DAY GERMANY 2024 & PRIDE DAY CONTEST
Hier geht’s zu allen Infos und zur Anmeldung.
Show Your true colors!
Das Interview mit Emre wurde für den PRIDE DAY GERMANY 2024 geführt.
Wie sorgt ihr an Eurem Arbeitsplatz für eine offene und wertschätzende Kultur?
Am 04. Juli feiern wir den PRIDE DAY GERMANY. Der Aktionszeitraum ist jedoch länger geöffnet! Noch bis zum 25. Juli könnt Ihr Eure Aktivitäten für Queer Diversity einreichen und habt damit die Chance zum PRIDE DAY CONTEST Publikumsliebling zu werden! Im sechswöchigen Aktionszeitraum zeigen wir jährlich Eure Firmenaktionen für Queer Diversity auf unserer Website und Eure Kommunikation auf unserer Social Media Wall. Im anschließenden
PRIDE DAY CONTEST führen wir ein Publikumsvoting durch und küren die drei Aktionen mit den meisten Stimmen zu Publikumslieblingen!

MYSTORY mit …
emre
32 Jahre, berlin
„wenn mich menschen fragen, wie ich meinen erfolg erreicht habe,
antworte ich, dass er auf meinen erfahrungen mit trauma beruht.“
Veröffentlicht: Dezember 2023
Als ich mich damals bei meiner alleinerziehenden Mutter geoutet habe, wusste sie nicht viel damit anzufangen, weil sie eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht kannte. Nach einigen Erklärungsversuchen meinte sie nur: „Emre, schon dein ganzes Leben lang wusstest du, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden und immer den richtigen Weg einzuschlagen. Wenn diese Lebensform das Richtige für dich ist, dann unterstütze ich dich dabei.“ Das war wirklich einer der schönsten Momente in meinem Leben und hat die Bindung zwischen meiner Mutter und mir gestärkt. Denn es war nicht immer einfach …
Ich habe kein Abi, sondern nach dem qualifizierenden Hauptschulabschluss die Mittlere Reife und anschließend eine Ausbildung zum Personaldienstleistungskaufmann absolviert. Berufsbegleitend habe ich eine Weiterbildung zum Fachwirt gemacht und somit meine Hochschulzulassung erlangt. Sowohl meinen Bachelor of Law als auch meinen Master of Science in HR habe ich neben meinem Job gerockt.
Studieren und nebenher ein wenig zu jobben war für mich nicht drin, da ich die finanzielle Absicherung nicht hatte. Daher kam für mich nur ein Vollzeitjob infrage, den ich um ein Studium am Abend und am Wochenende ergänzt habe.
Viel Freizeit hatte ich damals nicht, aber es war schon immer mein Lebenstraum, zu studieren. Aus meiner damaligen Sichtweise habe ich ein Studium immer mit einem Privileg für Personen aus gutem familiärem Umfeld mit entsprechendem finanziellem Background verbunden.
In meinem Leben hatte die ethnische Diskriminierung zur Folge, dass mir zum Beispiel auf der Schule gesagt wurde, dass ich mit meiner ‚Herkunft‘ nicht viele Chancen haben werde. Außerdem habe ich zwei Ausbildungen abgebrochen, weil ich wegen meiner Armutsbiografie und meiner Nicht-Binärität extreme Formen von Klassismus und Homofeindlichkeit erlebt habe. Heute arbeite ich bei Google, lebe offen nicht-binär, bin als Antidiskriminierungsexperte tätig und mehrfach ausgezeichnet worden. Ich spreche als Experte mit Ministerien und den größten Konzernen der Welt.
Wenn mich Menschen fragen, wie ich meinen Erfolg erreicht habe, antworte ich, dass er auf meinen Erfahrungen mit Trauma beruht. In unserer Gesellschaft muss man außergewöhnlich sein, um existieren zu dürfen, und ich habe gelernt, damit umzugehen.
Daneben bin ich auch leidenschaftlicher Fußballspieler. Ich habe während meiner Zeit in München im ersten schwulen Fußballteam Deutschlands gespielt und mich dabei für LGBTQIA+ im Sport engagiert. Ganz aktuell habe ich den Verein ‚WeSpeakYouDonate‘, der sich für Vielfalt einsetzt, und ‚Occtopus‘ gegründet. Occtopus ist ein Unternehmen, das Kinderspiele entwickelt, um Vorurteile und Stereotype bei Kindern und Eltern aufzudecken. Darüber hinaus bin ich auch Content Creator auf LinkedIn und betreue meinen eigenen YouTube-Kanal ‚Emres Pink Pillow‘.
Aufgeben stand für mich nie zur Debatte. Ich habe mich immer wieder selbst motiviert und einfach weitergemacht.
Lieber emre, vielen Dank für YourStory!
PRIDE DAY GERMANY 2024 & PRIDE DAY CONTEST
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Show Your true colors!
Das Interview mit Anastasia wurde für den PRIDE DAY GERMANY 2024 geführt.
Wie sorgt Ihr dafür, dass trans* Menschen an Eurem Arbeitsplatz vor Diskriminierungen geschützt werden?
Am 04. Juli feiern wir den PRIDE DAY GERMANY. Der Aktionszeitraum ist jedoch länger geöffnet! Noch bis zum 25. Juli könnt Ihr Eure Aktivitäten für Queer Diversity einreichen und habt damit die Chance zum PRIDE DAY CONTEST Publikumsliebling zu werden! Im sechswöchigen Aktionszeitraum zeigen wir jährlich Eure Firmenaktionen für Queer Diversity auf unserer Website und Eure Kommunikation auf unserer Social Media Wall. Im anschließenden
PRIDE DAY CONTEST führen wir ein Publikumsvoting durch und küren die drei Aktionen mit den meisten Stimmen zu Publikumslieblingen!

MYSTORY mit …
anastasia
49 Jahre, berlin
„meine nicht-anpassung, mein sichtbarer ausdruck als gender non-conforming, nimmt mir nicht mein frausein.“
Veröffentlicht: November 2023
Ich weiß nicht wirklich, wann meine bewusste und beschwerliche Reise zu mir selbst begonnen hat. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob das der entscheidende Punkt für diese Geschichte ist. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, erkenne ich heute, dass ich unterscheiden muss und möchte zwischen dem Weg zu mir hin als transgeschlechtliche Frau und meinem Leben als trans* Frau. Diese Unterscheidung ist mir persönlich wichtig, denn das Leben nach dem Coming Out 2015 hat mich als trans* und queere Person deutlich mehr geprägt als alles andere davor.
Mit 17 Jahren fand ich mich im Kleiderschrank meiner Mutter wieder und fühlte etwas Unerklärliches.
Immer mehr keimte in mir die Gewissheit, dass ich eben nicht der Mann bin, den die Welt in mir sieht und mich entsprechend als solchen behandelt. Ich konnte und wollte mit diesen Gefühlen nicht umgehen. Ich drängte meine wahre Identität zurück und zwang mich in die klassischen heteronormativen Muster. Mit Mitte zwanzig heiratete ich meine erste Frau. Zu dem Zeitpunkt war ich auch bereits Soldat in der Bundeswehr. Ich wurde 1994 eingezogen und entschloss mich dann für die Offizierslaufbahn. Zwei Institutionen, die in mir beide einen Mann sahen und stets erwarteten, prägten mein Leben. Im Verdrängen meiner Bedürfnisse war ich gut. Das Fehlen von trans* Vorbildern in der Gesellschaft verstärkte in mir das Bedürfnis, aktiv gegen mein inneres Ich vorzugehen. Scham und Abscheu gegen mich selbst waren meine ständigen Begleiter.
2015 durchbrach ich endlich dieses Muster. Ich konnte nicht mehr und wollte auch nicht mehr. Es war kein Mut, sondern Verzweiflung. Ich wollte endlich leben. Ich wollte ich sein. Mit diesem Schritt fing die zweite Phase an. Noch während der Transition merkte ich, dass ich zwar ich sein konnte, aber auch dieser Weg von Hindernissen und einer nicht immer akzeptierenden Gesellschaft geprägt war. Ich wollte sichtbar sein für andere trans* Personen. Ich wollte ein Orientierungspunkt für andere sein, meine Geschichte erzählen. Dieser Gedanke erweckte unwahrscheinlich viel Kraft in mir. Ich engagierte mich mehr und mehr und wurde langsam zu einer Aktivistin für trans* und queere Rechte – sowohl an meinem Arbeitsplatz als auch außerhalb der Gesellschaft.
Ich wehrte mich weiterhin gegen fremdbestimmte Zuschreibungen und Rollenerwartungen an mein nach außen gelebtes, weibliches Geschlecht. Ich habe genug davon, ständig daran gemessen zu werden, wie weiblich ich auf Dritte wirke.
Welche Attribute an mir, an meinem Körper, mich in der Fremdwahrnehmung als Frau bestätigen und welche den Hinweis auf meine nicht-cis-Natur geben. Ich bin froh, endlich an dem Punkt angekommen zu sein, der Bestätigung durch andere nicht länger zu bedürfen. Jahrelang hat mich das Gefühl, äußerlich nicht als Frau bestehen zu können, in meiner Identität zurückgehalten. Und meine nicht-Anpassung, mein sichtbarer Ausdruck als gender non-conforming, nimmt mir nicht mein Frausein.
Ich bin Anastasia, 49, bunt, laut und queer. Ich bin ein Einhorn in Flecktarn und kämpfe bis zum Äußersten für die Sache, an die ich glaube. Revolution statt Evolution.
Liebe anastasia, vielen Dank für YourStory!
PRIDE DAY GERMANY 2024 & PRIDE DAY CONTEST
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MYSTORY mit …
alex
34 Jahre, frankfurt
„Es waren schwarze trans* Frauen, die mich über die Geschichte
und Gegenwart unserer Community aufgeklärt haben, über das Privileg, in Europa queer zu sein, und über den langen Weg, den wir
noch zurücklegen müssen, um Die Diskriminierung zu beseitigen….“
Veröffentlicht: September 2023
Privilegien, Aufklärung & Coming Outs.
Es ist mir schwergefallen, mich hinzusetzen und diesen Artikel zu schreiben. Es fühlt sich oft so an, als hätte ich nichts Bedeutendes mitzuteilen, wenn es um mein Coming-out geht. Es war einfach super ereignislos. Das ist eine sehr privilegierte Position, die vielen Personen unserer Community verwehrt bleibt, die um ihre Sicherheit fürchten müssen, wenn sie sich outen. Ich wünsche mir, dass alle Menschen unserer LGBTQIA2S+-Community ein ereignisloses Coming-out haben und sich in Zukunft vielleicht gar nicht mehr zu outen brauchen.
Als ich 15 Jahre alt war, wurde mir klar, dass ich bi bin. Ich interessierte mich mehr für Xena, die Kriegerprinzessin, und ihre „Freundschaft“mit Gabrielle als für das, was heterosexuelle Mädchen in meinem Alter eigentlich interessieren sollte. Ich fühlte mich zu Männern und Frauen hingezogen und wusste damals noch nicht, dass es noch so viel mehr wunderschöne Geschlechtsidentitäten gibt.
Heute würde ich mich als pan oder omni bezeichnen, wenn wir unbedingt ein Label brauchen – für mich bin ich einfach queer.
Ich fühle mich nicht nur zu einem Geschlecht hingezogen. Ich wusste es nur nicht, weil es 2003 nicht viele queere Darstellungen gab. 2004 kam The L Word heraus, und obwohl es damals schon sehr schwierige Stories gab, insgesamt nicht gut gealtert ist und kein gutes Beispiel für einen intersektionalen Ansatz ist, hat es damals meine Welt verändert, ebenso wie der L Word-Podcast.
Ich habe es meiner Mutter ziemlich früh und es war keine große Sache. Hauptsächlich, weil sie super tolerant ist, aber auch, weil es sich wahrscheinlich nicht echt angefühlt hat. Eine feste Freundin habe ich nie mit nach Hause gebracht.
Aber ich muss mir Sorgen über ihre Reaktion gemacht haben, denn meine erste Freundin habe ich geheim gehalten. Ich glaube, das lag nicht nur an ihrem Geschlecht, sondern auch daran, dass wir uns online kennengelernt hatten, uns nicht persönlich begegnet waren, weil ein Ozean zwischen uns lag, und ich die ganze Situation mit Scham verband. Ich war 19 und verließ Deutschland, um mit meiner kanadischen Freundin in Brighton, dem queeren Hotspot in Europa, zusammenzuziehen. Wir trennten uns nach 6 Monaten, und ich glaube bis heute, die meisten Personen in meiner Familie und von meinen Freund_innen hielten sie für eine Mitbewohnerin. Meine nächste Beziehung war mit einem Mann. Da war kein Coming-out nötig, jeder kannte ihn als meinen Freund.
Die queere Community blieb ein fester Bestandteil in meinem Leben. Die meisten meiner Freund_innen und Mitbewohner_innen waren queer, ich hatte mich in die Drag-Kunst verliebt und ging zu jeder Show, die ich besuchen konnte. Ich verdanke der Community viel; sie hat mir geholfen, das zu überwinden, was mich davon abhielt, mein eigenes Queersein zu normalisieren, während ich das aller anderen feierte. Sie haben mir gezeigt, wie ich mich selbst akzeptieren kann, wie ich für meine Gemeinschaft kämpfen kann, wie ich in einer Welt existieren kann, die davon ausgeht, dass jede_r heterosexuell ist. Es waren schwarze trans* Frauen, die mich über die Geschichte und Gegenwart unserer Community aufgeklärt haben, über das Privileg, in Europa, in einer queeren Stadt, queer zu sein, und über den langen Weg, den wir noch zurücklegen müssen, um die Diskriminierung ALLER wunderbaren Personen unserer Community zu beseitigen, die Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind, nur weil sie das Leben leben, für das sie geboren wurden. Ich war eine ignorante 20-Jährige und wurde durch ihre Freundlichkeit und ihre Kämpfe aufgeklärt. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich selbst weitergebildet habe – das habe ich in späteren Jahren auch getan -, aber diese anfängliche Aufklärung wurde von den Menschen geleistet, die in unserer Gesellschaft am meisten marginalisiert sind, und ich verdanke ihnen so viel. Ich wurde Aktivistin für die Rechte von queeren Menschen und Frauen und lerne bis zum heutigen Tag weiter. Obwohl noch ein langer Weg vor uns liegt, ist eine der größten Errungenschaften unserer Gemeinschaft für mich: Eine ältere (sie hat mir erlaubt, das zu sagen) trans* Frau sagte letztes Jahr zu mir: „Endlich können trans* Menschen eine Zukunft haben! Als ich aufwuchs, gab es einfach keine Repräsentation und nur die Gefahr, jung zu sterben. Ich wusste nicht, dass ich glücklich werden würde; das war einfach nicht drin. Heute können trans* Kinder eine Zukunft sehen; wir haben trans* Schauspieler_innen, Sportler_innen, Politiker_innen, gewöhnliche Paare, die glücklich sind.“ Dennoch sind wir uns beide einig, dass noch viel getan werden muss, um eine sichere Zukunft für trans* Kinder und Erwachsene zu gewährleisten.
Meine Frau lernte ich 2012 kennen. Wir waren zunächst Kolleginnen und dann jahrelang eng befreundet, bevor sich unsere Freundschaft in Liebe verwandelte. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass zwei Frauen, die nicht verheiratet sind und miteinander abhängen, eine Affäre haben müssenZumindest war das das Gerücht auf der Arbeit, lange bevor wir romantische Gefühle füreinander entwickelten. Ich erinnere mich, als wir ins Kino gingen, war das in der Arbeit eine ganze Woche lang ein heißes Thema. Manchmal erreichten mich Gerüchte, dass wir bei verdächtigen Dingen wie Kaffeetrinken gesichtet worden waren, und manchmal waren diese Gerüchte frei erfunden.
Die Leute redeten über unsere Beziehung, lange bevor wir eine Beziehung miteinander hatten, und als wir anfingen, uns zu treffen, erzählten wir es niemandem außer zwei Freund_innen auf der Arbeit. Wir waren einfach.
Dasselbe galt für meine Mutter. Sie hat sofort gemerkt, dass wir zusammen sind, und das war’s. Ich bin einfach durch die Welt gelaufen und habe die Tatsache, dass ich eine Freundin hatte, die dann meine Frau wurde, als normal angesehen, und die meisten Leute haben auch so reagiert. Ich hatte das Privileg, in einem Unternehmen zu arbeiten, das auf Vielfalt achtete, als ich mich in sie verliebte, und als ich das Unternehmen wechselte, war ich in einer so hohen Position, dass sich die Leute nicht trauten, mir etwas Homophobes ins Gesicht zu sagen. Ich bin aber nicht ignorant; ich weiß, dass es hinter meinem Rücken passiert ist. Ich weiß, dass es auch anderen passiert, und ich weiß, dass Homophobie am Arbeitsplatz und in unserer Gesellschaft immer noch weit verbreitet ist. Nach Jahren bemerkenswerter Fortschritte bei den Rechten von queeren Menschen (bei denen es sich im Grunde um Menschenrechte handelt) sehen wir uns mit einem historischen Rückschlag konfrontiert, der die hart erkämpften Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder zunichtezumachen droht, nicht nur in Bezug auf den rechtlichen Schutz, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung.
Dies ist ein kritischer Moment für LGBTQIA2S+-Communities und ihre Allies, der sofortiges Handeln und unerschütterliche Solidarität erfordert.
Das ist es. Mein Coming Out ist keine besonders interessante Geschichte. Vieles von dem, was interessant ist, steht zwischen den Zeilen: über Dinge, die ich verinnerlicht hatte, die ich wieder verlernen musste, und über Dinge, bei denen ich komplett und völlig falsch lag. Zum Beispiel, als ich annahm, dass meine bis dahin 100-prozentig heterosexuelle Freundin „uns“ nur als Experiment betrachten würde, dass sie ihrer Familie nie von uns erzählen würde, dass diese neue Erfahrung ihr Selbstbild so erschüttern würde, dass sie davonlaufen würde. Oder dass es ihr schwerfallen würde, sich an eine Beziehung zu gewöhnen, nachdem sie 16 Jahre lang Single war, und dass sie nicht in der Lage sein würde, Platz für mich zu schaffen. Dass es nicht von Dauer sein würde.
Im Juli 2023 sind wir seit 100 Monaten zusammen, seit 4 Jahren verheiratet. Sie weiß immer noch nicht, wie man die Spülmaschine wie ein normaler Mensch einräumt, aber abgesehen davon geht es uns gut.
Die Angriffe auf unsere Community nehmen auf globaler Ebene zu. Es reicht nicht aus, nur die wenigen Rechte und die begrenzte Akzeptanz zu feiern, die Schwule, Lesben und Bisexuelle erreicht haben. Die TIN*-Gemeinschaft ist weit davon entfernt, die gleichen Rechte und die gleiche Akzeptanz zu erfahren. Wir müssen weiterkämpfen, bis die Diskriminierung von queeren BIPOC, queeren Menschen mit Behinderungen, LGBTQIA2S+ Migrant_innen und insbesondere die Diskriminierung gegenüber trans* und nicht-binären Personen beseitigt ist. Wir dürfen uns nicht mit bloßer Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zufriedengeben. Die Gesellschaft ist sich unserer bewusst; was wir brauchen, ist gleicher Schutz, Respekt und Chancen, die allen Menschen in unserer globalen Gemeinschaft zuteilwerden sollten.
(Anmerkung: *TIN bezieht sich auf die Trans*, Inter* und nicht-binäre Personen)
Liebe Alex, vielen Dank für YourStory!

Dr. Shivaji Dasgupta
„Die Freiheit zu haben, so zu sein, wie man ist, gibt einem so viel mehr Handlungsoptionen, und ermöglicht so viel höhere Produktivität, weil man nichts verstecken muss.“
Viele Menschen denken, dass die sexuelle bzw. geschlechtliche Identität am Arbeitsplatz nichts verloren haben und somit nicht thematisiert werden müssen. Doch die Wahrheit sieht anders aus – das Versteckspiel von nicht geouteten LGBT*IQ Mitarbeiter_innen geht oftmals auf Kosten von Teamgeist, Energie sowie Motivation am Arbeitsplatz und schränkt die Produktivität dieser Menschen immens ein. Aus diesem Grund ist es wichtig eine „offene und integrative Unternehmenskultur zu schaffen, die alle Mitarbeiter_innen dabei unterstützt, ihr volles Potenzial für die Unternehmensziele einzusetzen.“ – so Albert Kehrer, Vorstandsvorsitzender der PROUT AT WORK-Foundation. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, lieferte der diesjährige Keynote Speaker des DINNER BEYOND BUSINESS – Dr. Shivaji Dasgupta – bei einem „Fireside Chat“ eindrückliche Einblicke in seine Welt als Out-Executive und stellte die Wichtigkeit von Engagement für LGBT*IQ Chancengleichheit seitens der Unternehmen heraus.
Beim 6. DINNER BEYOND BUSINESS der PROUT AT WORK-Foundation, gehostet von der Deutschen Post DHL Group in Bonn, stand das Engagement von Unternehmen und deren Führungskräften für die LGBT*IQ Community im Vordergrund. „Uns alle eint heute Abend das Bestreben, dass Menschen mit ihrem authentischen Ich an den Arbeitsplatz kommen können und nicht einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit verstecken müssen.“ – so Dr. Thomas Ogilvie, Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Deutsche Post DHL Group bei seiner Begrüßungsrede. Der Einladung folgten über 35 Senior Executives bedeutender Wirtschaftsunternehmen und -institutionen, darunter Vertreter_innen von BASF, Clifford Chance, Continental, Commerzbank, Ergo, IKEA, ING Diba, NTT Data, Oracle, Otto, Robert Bosch, Sandoz, Sodexo und UniCredit. In direkter Nachbarschaft zum Rhein, genossen die Teilnehmer_innen des hochkarätigen Info- und Netzwerk-Events ein exklusives Dinner. Albert Kehrer erläuterte die Hintergründe des DINNER BEYOND BUSINESS in seiner Begrüßungsrede: „Wir sind der Meinung, dass hinter der Unterstützung für LGBT*IQ ein Business Case steht: Ein individueller für die Menschen, die sich outen, aber auch auf Unternehmensebene – ob B2B oder B2C.“ Highlight des Abends war der „Fireside Chat“ des Vorstandsvorsitzenden der gastgebenden PROUT AT WORK-Foundation, gemeinsam mit Keynote Speaker Dr. Shivaji Dasgupta, Out-Executive und Chief Data Officer bei Unicredit über Vielfalt, Verantwortung und Vorbildfunktion.
„Die Leute wissen dann, dass sie einem auch in Bezug auf andere Themen vertrauen können – man erhält als Führungskraft einen zusätzlichen Vertrauensbonus, wenn man ganz offen und ehrlich ist.“
Zu Beginn des rund 45-minütigen Talks teilte Dasgupta private Einblicke als Out-Executive: „99% der Reaktionen auf mein Coming Out waren überaus positiv. Die Freiheit zu haben, so zu sein, wie man ist, gibt einem so viel mehr Handlungsoptionen, und ermöglicht so viel höhere Produktivität, weil man nichts verstecken muss.“. Gleichzeitig hat es einen deutlichen Einfluss auf das berufliche Umfeld: „Die Leute wissen dann, dass sie einem auch in Bezug auf andere Themen vertrauen können – man erhält als Führungskraft einen zusätzlichen Vertrauensbonus, wenn man ganz offen und ehrlich ist.“ Und auch Unternehmen profitieren laut Dasgupta beträchtlich vom Einsatz für LGBT*IQ-Chancengleichheit: Sei es durch bessere Ergebnisse aufgrund diverserer Teams oder beim Werben um talentierte Mitarbeiter_innen.
„Executive Allies sind so wichtig, weil sie in der Organisation ein sehr starkes Signal aussenden, dass diskriminierendes Verhalten nicht toleriert wird.“
Ebenfalls wurde der Einfluss von Allies im „Fireside Chat“ hervorgehoben: „Executive Allies sind so wichtig, weil sie in der Organisation ein sehr starkes Signal aussenden, dass diskriminierendes Verhalten nicht toleriert wird“. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen rechtlichen Gegebenheiten für LGBT*IQ weltweit ist es dem gebürtigen Inder außerdem ein Anliegen, die hiesigen Freiheiten zu schätzen und zu nutzen:
„Wir sollten uns alle glücklich schätzen, dass wir dort sind, wo wir sind, und diese Gelegenheit nutzen, um anderen zu helfen.“